Kant: AA V, Kritik der Urtheilskraft ... , Seite 183

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 zuerst freilich etwas Nothwendiges, nämlich die allgemeinen      
  02 Gesetze, ohne welche Natur überhaupt (als Gegenstand der Sinne) nicht      
  03 gedacht werden kann; und diese beruhen auf den Kategorieen, angewandt      
  04 auf die formalen Bedingungen aller uns möglichen Anschauung, sofern      
  05 sie gleichfalls a priori gegeben ist. Unter diesen Gesetzen nun ist die      
  06 Urtheilskraft bestimmend; denn sie hat nichts zu thun, als unter gegebnen      
  07 Gesetzen zu subsumiren. Z. B. der Verstand sagt: Alle Veränderung      
  08 hat ihre Ursache (allgemeines Naturgesetz); die transscendentale      
  09 Urtheilskraft hat nun nichts weiter zu thun, als die Bedingung der      
  10 Subsumtion unter dem vorgelegten Verstandesbegriff a priori anzugeben:      
  11 und das ist die Succession der Bestimmungen eines und desselben      
  12 Dinges. Für die Natur nun überhaupt (als Gegenstand möglicher Erfahrung)      
  13 wird jenes Gesetz als schlechterdings nothwendig erkannt.      
  14 Nun sind aber die Gegenstände der empirischen Erkenntniß außer jener      
  15 formalen Zeitbedingung noch auf mancherlei Art bestimmt, oder, so viel      
  16 man a priori urtheilen kann, bestimmbar, so daß specifisch=verschiedene      
  17 Naturen außer dem, was sie als zur Natur überhaupt gehörig gemein      
  18 haben, noch auf unendlich mannigfaltige Weise Ursachen sein können;      
  19 und eine jede dieser Arten muß (nach dem Begriffe einer Ursache überhaupt)      
  20 ihre Regel haben, die Gesetz ist, mithin Nothwendigkeit bei sich      
  21 führt: ob wir gleich nach der Beschaffenheit und den Schranken unserer      
  22 Erkenntnißvermögen diese Nothwendigkeit gar nicht einsehen. Also      
  23 müssen wir in der Natur in Ansehung ihrer bloß empirischen Gesetze      
  24 eine Möglichkeit unendlich mannigfaltiger empirischer Gesetze denken, die      
  25 für unsere Einsicht dennoch zufällig sind (a priori nicht erkannt werden      
  26 können); und in deren Ansehung beurtheilen wir die Natureinheit nach      
  27 empirischen Gesetzen und die Möglichkeit der Einheit der Erfahrung (als      
  28 Systems nach empirischen Gesetzen) als zufällig. Weil aber doch eine      
  29 solche Einheit nothwendig vorausgesetzt und angenommen werden muß,      
  30 da sonst kein durchgängiger Zusammenhang empirischer Erkenntnisse zu      
  31 einem Ganzen der Erfahrung statt finden würde, indem die allgemeinen      
  32 Naturgesetze zwar einen solchen Zusammenhang unter den Dingen ihrer      
  33 Gattung nach, als Naturdingen überhaupt, aber nicht specifisch, als      
  34 solchen besonderen Naturwesen, an die Hand geben: so muß die Urtheilskraft      
  35 für ihren eigenen Gebrauch es als Princip a priori annehmen, daß      
  36 das für die menschliche Einsicht Zufällige in den besonderen (empirischen)      
  37 Naturgesetzen dennoch eine für uns zwar nicht zu ergründende, aber doch      
           
     

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