Kant: AA IV, Metaphysische Anfangsgründe ... , Seite 483 |
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01 | Bewegung z. B. einer Gährung nicht in ihr mit eingeschlossen sei; aber das | ||||||
02 | Ding, was man bewegt nennt, muß so fern als Einheit betrachtet werden. Die | ||||||
03 | Materie, als z. B. ein Faß Bier, ist bewegt, bedeutet also etwas anderes als: das | ||||||
04 | Bier im Fasse ist in Bewegung. Die Bewegung eines Dinges ist mit der Bewegung | ||||||
05 | in diesem Dinge nicht einerlei, von der ersteren aber ist hier nur die | ||||||
06 | Rede. Dieses Begriffs Anwendung aber auf den zweiten Fall ist nachher leicht. | ||||||
07 | Anmerkung 2. |
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08 | Die Bewegungen können drehend (ohne Veränderung des Orts) oder fortschreitend, | ||||||
09 | diese aber entweder den Raum erweiternd, oder auf einen gegebenen | ||||||
10 | Raum eingeschränkte Bewegungen sein. Von der ersteren Art sind die geradlinichte | ||||||
11 | oder auch krummlinichte in sich nicht zurückkehrende Bewegungen. Die | ||||||
12 | von der zweiten sind die in sich zurückkehrende. Die letztern sind wiederum | ||||||
13 | entweder circulirende oder oscillirende, d. i. Kreis= oder schwankende Bewegungen. | ||||||
14 | Die erstern legen eben denselben Raum immer in derselben Richtung, | ||||||
15 | die zweiten immer wechselsweise in entgegengesetzter Richtung zurück, wie schwankende | ||||||
16 | Penduln. Zu beiden gehört noch Bebung ( motus tremulus ), welche nicht | ||||||
17 | eine fortschreitende Bewegung eines Körpers, dennoch aber eine reciprocirende | ||||||
18 | Bewegung einer Materie ist, die dabei ihre Stelle im Ganzen nicht verändert, wie | ||||||
19 | die Zitterungen einer geschlagenen Glocke oder die Bebungen einer durch den | ||||||
20 | Schall in Bewegung gesetzten Luft. Ich thue dieser verschiedenen Arten der Bewegung | ||||||
21 | blos darum in einer Phoronomie Erwähnung, weil man bei allen, die | ||||||
22 | nicht fortschreitend sind, sich des Worts Geschwindigkeit gemeiniglich in anderer | ||||||
23 | Bedeutung bedient als bei den fortschreitenden, wie die folgende Anmerkung | ||||||
24 | zeigt. | ||||||
25 | Anmerkung 3. |
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26 | In jeder Bewegung sind Richtung und Geschwindigkeit die beiden Momente | ||||||
27 | der Erwägung derselben, wenn man von allen anderen Eigenschaften des Beweglichen | ||||||
28 | abstrahirt. Ich setze hier die gewöhnliche Definition beider voraus; allein | ||||||
29 | die der Richtung bedarf noch verschiedener Einschränkungen. Ein im Kreise bewegter | ||||||
30 | Körper verändert seine Richtung continuirlich, so daß er bis zu seiner | ||||||
31 | Rückkehr zum Punkte, von dem er ausging, alle in einer Fläche nur mögliche Richtungen | ||||||
32 | eingeschlagen ist, und doch sagt man: er bewege sich immer in derselben | ||||||
33 | Richtung, z. B. der Planet von Abend gegen Morgen. | ||||||
34 | Allein was ist hier die Seite, nach der die Bewegung gerichtet ist? Eine | ||||||
35 | Frage, die mit der eine Verwandtschaft hat: worauf beruht der innere Unterschied | ||||||
36 | der Schnecken, die sonst ähnlich und sogar gleich, aber davon eine Species rechts, | ||||||
37 | die andere links gewunden ist; oder des Windens der Schwertbohnen und des | ||||||
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