Kant: AA IV, Grundlegung zur Metaphysik der ... , Seite 462

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Erklärungsgrund und habe keinen anderen. Zwar könnte ich      
  02 nun in der intelligibelen Welt, die mir noch übrig bleibt, in der Welt der      
  03 Intelligenzen, herumschwärmen; aber ob ich gleich davon eine Idee habe,      
  04 die ihren guten Grund hat, so habe ich doch von ihr nicht die mindeste      
  05 Kenntniß und kann auch zu dieser durch alle Bestrebung meines natürlichen      
  06 Vernunftvermögens niemals gelangen. Sie bedeutet nur ein etwas,      
  07 das da übrig bleibt, wenn ich alles, was zur Sinnenwelt gehört, von den      
  08 Bestimmungsgründen meines Willens ausgeschlossen habe, bloß um das      
  09 Princip der Bewegursachen aus dem Felde der Sinnlichkeit einzuschränken,      
  10 dadurch daß ich es begrenze und zeige, daß es nicht Alles in Allem in      
  11 sich fasse, sondern daß außer ihm noch mehr sei; dieses Mehrere aber kenne      
  12 ich nicht weiter. Von der reinen Vernunft, die dieses Ideal denkt, bleibt      
  13 nach Absonderung aller Materie, d. i. Erkenntniß der Objecte, mir      
  14 nichts als die Form übrig, nämlich das praktische Gesetz der Allgemeingültigkeit      
  15 der Maximen und diesem gemäß die Vernunft in Beziehung      
  16 auf eine reine Verstandeswelt als mögliche wirkende, d. i. als den Willen      
  17 bestimmende, Ursache zu denken; die Triebfeder muß hier gänzlich fehlen;      
  18 es müßte denn diese Idee einer intelligibelen Welt selbst die Triebfeder      
  19 oder dasjenige sein, woran die Vernunft ursprünglich ein Interesse nähme;      
  20 welches aber begreiflich zu machen gerade die Aufgabe ist, die wir nicht      
  21 auflösen können.      
           
  22 Hier ist nun die oberste Grenze aller moralischen Nachforschung,      
  23 welche aber zu bestimmen, auch schon darum von großer Wichtigkeit ist,      
  24 damit die Vernunft nicht einerseits in der Sinnenwelt auf eine den Sitten      
  25 schädliche Art nach der obersten Bewegursache und einem begreiflichen,      
  26 aber empirischen Interesse herumsuche, andererseits aber, damit sie auch      
  27 nicht in dem für sie leeren Raum transscendenter Begriffe unter dem      
  28 Namen der intelligibelen Welt kraftlos ihre Flügel schwinge, ohne von der      
  29 Stelle zu kommen, und sich unter Hirngespinsten verliere. Übrigens bleibt      
  30 die Idee einer reinen Verstandeswelt als eines ganzen aller Intelligenzen,      
  31 wozu wir selbst als vernünftige Wesen (obgleich andererseits zugleich Glieder      
  32 der Sinnenwelt) gehören, immer eine brauchbare und erlaubte Idee      
  33 zum Behufe eines vernünftigen Glaubens, wenn gleich alles Wissen an      
  34 der Grenze derselben ein Ende hat, um durch das herrliche Ideal eines      
  35 allgemeinen Reichs der Zwecke an sich selbst (vernünftiger Wesen), zu      
  36 welchem wir nur alsdann als Glieder gehören können, wenn wir uns nach      
  37 Maximen der Freiheit, als ob sie Gesetze der Natur wären, sorgfältig      
           
     

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