Kant: AA IV, Grundlegung zur Metaphysik der ... , Seite 461

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 einem zum Grunde liegenden Gefühl, wobei sie niemals sittlich gesetzgebend      
  02 sein könnte), sondern daß es interessirt, weil es für uns als      
  03 Menschen gilt, da es aus unserem Willen als Intelligenz, mithin aus      
  04 unserem eigentlichen Selbst Entsprungen ist; was aber zur bloßen Erscheinung      
  05 gehört, wird von der Vernunft nothwendig der Beschaffenheit      
  06 der Sache an sich selbst untergeordnet.      
           
  07 Die Frage also, wie ein kategorischer Imperativ möglich sei, kann      
  08 zwar so weit beantwortet werden, als man die einzige Voraussetzung angeben      
  09 kann, unter der er allein möglich ist, nämlich die Idee der Freiheit,      
  10 imgleichen als man die Nothwendigkeit dieser Voraussetzung einsehen kann,      
  11 welches zum praktischen Gebrauche der Vernunft, d. i. zur Überzeugung      
  12 von der Gültigkeit dieses Imperativs, mithin auch des sittlichen      
  13 Gesetzes hinreichend ist, aber wie diese Voraussetzung selbst möglich sei,      
  14 läßt sich durch keine menschliche Vernunft jemals einsehen. Unter Voraussetzung      
  15 der Freiheit des Willens einer Intelligenz aber ist die Autonomie      
  16 desselben, als die formale Bedingung , unter der er allein bestimmt      
  17 werden kann, eine nothwendige Folge. Diese Freiheit des Willens vorauszusetzen,      
  18 ist auch nicht allein (ohne in Widerspruch mit dem Princip      
  19 der Naturnothwendigkeit in der Verknüpfung der Erscheinungen der Sinnenwelt      
  20 zu gerathen) ganz wohl möglich (wie die speculative Philosophie      
  21 zeigen kann), sondern auch sie praktisch, d. i. in der Idee, allen seinen willkürlichen      
  22 Handlungen als Bedingung unterzulegen, ist einem vernünftigen      
  23 Wesen, das sich seiner Causalität durch Vernunft, mithin eines Willens      
  24 (der von Begierden unterschieden ist) bewußt ist, ohne weitere Bedingung      
  25 nothwendig. Wie nun aber reine Vernunft ohne andere Triebfedern,      
  26 die irgend woher sonst genommen sein mögen, für sich selbst praktisch sein,      
  27 d. i. wie das bloße Princip der Allgemeingültigkeit aller ihrer      
  28 Maximen als Gesetze (welches freilich die Form einer reinen praktischen      
  29 Vernunft sein würde) ohne alle Materie (Gegenstand) des Willens, woran      
  30 man zum voraus irgend ein Interesse nehmen dürfe, für sich selbst      
  31 eine Triebfeder abgeben und ein Interesse, welches rein moralisch heißen      
  32 würde, bewirken, oder mit anderen Worten, wie reine Vernunft praktisch      
  33 sein könne, das zu erklären, dazu ist alle menschliche Vernunft      
  34 gänzlich unvermögend, und alle Mühe und Arbeit, hievon Erklärung zu      
  35 suchen, ist verloren.      
           
  36 Es ist eben dasselbe, als ob ich zu ergründen suchte, wie Freiheit selbst      
  37 als Causalität eines Willens möglich sei. Denn da verlasse ich den philosophischen      
           
     

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