Kant: AA IV, Grundlegung zur Metaphysik der ... , Seite 451 |
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| 01 | der Urtheilskraft, die er Gefühl nennt, machen mag: daß alle | ||||||
| 02 | Vorstellungen, die uns ohne unsere Willkür kommen (wie die der Sinne), | ||||||
| 03 | uns die Gegenstände nicht anders zu erkennen geben, als sie uns afficiren, | ||||||
| 04 | wobei, was sie an sich sein mögen, uns unbekannt bleibt, mithin daß, was | ||||||
| 05 | diese Art Vorstellungen betrifft, wir dadurch auch bei der angestrengtesten | ||||||
| 06 | Aufmerksamkeit und Deutlichkeit, die der Verstand nur immer hinzufügen | ||||||
| 07 | mag, doch bloß zur Erkenntniß der Erscheinungen, niemals der Dinge | ||||||
| 08 | an sich selbst gelangen können. Sobald dieser Unterschied (allenfalls | ||||||
| 09 | bloß durch die bemerkte Verschiedenheit zwischen den Vorstellungen, die | ||||||
| 10 | uns anders woher gegeben werden, und dabei wir leidend sind, von denen, | ||||||
| 11 | die wir lediglich aus uns selbst hervorbringen, und dabei wir unsere Thätigkeit | ||||||
| 12 | beweisen) einmal gemacht ist, so folgt von selbst, daß man hinter | ||||||
| 13 | den Erscheinungen doch noch etwas anderes, was nicht Erscheinung ist, | ||||||
| 14 | nämlich die Dinge an sich, einräumen und annehmen müsse, ob wir gleich | ||||||
| 15 | uns von selbst bescheiden, daß, da sie uns niemals bekannt werden können, | ||||||
| 16 | sondern immer nur, wie sie uns afficiren, wir ihnen nicht näher treten | ||||||
| 17 | und, was sie an sich sind, niemals wissen können. Dieses muß eine, obzwar | ||||||
| 18 | rohe, Unterscheidung einer Sinnenwelt von der Verstandeswelt | ||||||
| 19 | abgeben, davon die erstere nach Verschiedenheit der Sinnlichkeit in mancherlei | ||||||
| 20 | Weltbeschauern auch sehr verschieden sein kann, indessen die zweite, | ||||||
| 21 | die ihr zum Grunde liegt, immer dieselbe bleibt. Sogar sich selbst und | ||||||
| 22 | zwar nach der Kenntniß, die der Mensch durch innere Empfindung von | ||||||
| 23 | sich hat, darf er sich nicht anmaßen zu erkennen, wie er an sich selbst sei. | ||||||
| 24 | Denn da er doch sich selbst nicht gleichsam schafft und seinen Begriff nicht | ||||||
| 25 | a priori, sondern empirisch bekommt, so ist natürlich, daß er auch von sich | ||||||
| 26 | durch den innern Sinn und folglich nur durch die Erscheinung seiner | ||||||
| 27 | Natur und die Art, wie sein Bewußtsein afficirt wird, Kundschaft einziehen | ||||||
| 28 | könne, indessen er doch nothwendiger Weise über diese aus lauter | ||||||
| 29 | Erscheinungen zusammengesetzte Beschaffenheit seines eigenen Subjects | ||||||
| 30 | noch etwas anderes zum Grunde Liegendes, nämlich sein Ich, so wie es | ||||||
| 31 | an sich selbst beschaffen sein mag, annehmen und sich also in Absicht auf | ||||||
| 32 | die bloße Wahrnehmung und Empfänglichkeit der Empfindungen zur | ||||||
| 33 | Sinnenwelt, in Ansehung dessen aber, was in ihm reine Thätigkeit sein | ||||||
| 34 | mag, (dessen, was gar nicht durch Afficirung der Sinne, sondern unmittelbar | ||||||
| 35 | zum Bewußtsein gelangt) sich zur intellectuellen Welt zählen muß, | ||||||
| 36 | die er doch nicht weiter kennt. | ||||||
| 37 | Dergleichen Schluß muß der nachdenkende Mensch von allen Dingen, | ||||||
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