Kant: AA IV, Prolegomena zu einer jeden ... , Seite 373

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 denn es gewinnt dabei; und der Verfasser selbst kann zufrieden sein,      
  02 daß er Gelegenheit bekommt, seine von einem Kenner frühzeitig geprüfte      
  03 Aufsätze zu berichtigen oder zu erläuteren und auf solche Weise, wenn er      
  04 im Grunde Recht zu haben glaubt, den Stein des Anstoßes, der seiner      
  05 Schrift in der Folge nachtheilig werden könnte, bei Zeiten wegzuräumen.      
           
  06 Ich befinde mich mit meinem Recensenten in einer ganz anderen      
  07 Lage. Er scheint gar nicht einzusehen, worauf es bei der Untersuchung,      
  08 womit ich mich (glücklich oder unglücklich) beschäftigte, eigentlich ankam,      
  09 und es sei nun Ungeduld ein weitläuftig Werk durchzudenken, oder verdrießliche      
  10 Laune über eine angedrohte Reform einer Wissenschaft, bei der      
  11 er schon längstens alles ins Reine gebracht zu haben glaubte, oder, welches      
  12 ich ungern vermuthe, ein wirklich eingeschränkter Begriff daran      
  13 Schuld, dadurch er sich über seine Schulmetaphysik niemals hinauszudenken      
  14 vermag; kurz, er geht mit Ungestüm eine lange Reihe von Sätzen      
  15 durch, bei denen man, ohne ihre Prämissen zu kennen, gar nichts denken      
  16 kann, streut hin und wieder seinen Tadel aus, von welchem der Leser eben      
  17 so wenig den Grund sieht, als er die Sätze versteht, dawider derselbe gerichtet      
  18 sein soll, und kann also weder dem Publikum zur Nachricht nützen,      
  19 noch mir im Urtheile der Kenner das mindeste schaden; daher ich diese      
  20 Beurtheilung gänzlich übergangen sein würde, wenn sie mir nicht zu einigen      
  21 Erläuterungen Anlaß gäbe, die den Leser dieser Prolegomenen in      
  22 einigen Fällen vor Mißdeutung bewahren könnten.      
           
  23 Damit Recensent aber doch einen Gesichtspunkt fasse, aus dem er am      
  24 leichtesten auf eine dem Verfasser unvortheilhafte Art das ganze Werk vor      
  25 Augen stellen könne, ohne sich mit irgend einer besondern Untersuchung      
  26 bemühen zu dürfen, so fängt er damit an und endigt auch damit, daß er      
  27 sagt: "Dies Werk ist ein System des transscendentellen (oder, wie er es      
  28 übersetzt, des höheren)*) Idealismus."      
           
    *) Bei Leibe nicht der höhere. Hohe Thürme und die ihnen ähnliche metaphysisch große Männer, um welche beide gemeiniglich viel Wind ist, sind nicht für mich. Mein Platz ist das fruchtbare Bathos der Erfahrung, und das Wort transscendental, dessen so vielfältig von mir angezeigte Bedeutung vom Recensenten nicht einmal gefaßt worden (so flüchtig hat er alles angesehen), bedeutet nicht etwas, das über alle Erfahrung hinausgeht, sondern was vor ihr (a priori) zwar vorhergeht, aber doch zu nichts mehrerem bestimmt ist, als lediglich Erfahrungserkenntniß möglich zu machen. Wenn diese Begriffe die Erfahrung überschreiten, dann heißt ihr Gebrauch transscendent, welcher von dem immanenten, d.i. auf Erfahrung eingeschränkten [Seitenumbruch] Gebrauch unterschieden wird. Allen Mißdeutungen dieser Art ist in dem Werke hinreichend vorgebeugt worden: allein der Recensent fand seinen Vortheil bei Mißdeutungen.      
           
     

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