Kant: AA IV, Prolegomena zu einer jeden ... , Seite 372 |
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01 | bleibt, nichts dawider einzuwenden ist. Wenn man den Lauf der Dinge | ||||||
02 | nimmt, wie er wirklich geht, nicht wie er gehen sollte, so giebt es zweierlei | ||||||
03 | Urtheile: ein Urtheil, das vor der Untersuchung vorhergeht, und | ||||||
04 | dergleichen ist in unserm Falle dasjenige, wo der Leser aus seiner Metaphysik | ||||||
05 | über die Kritik der reinen Vernunft (die allererst die Möglichkeit | ||||||
06 | derselben untersuchen soll) ein Urtheil fällt; und dann ein anderes Urtheil, | ||||||
07 | welches auf die Untersuchung folgt, wo der Leser die Folgerungen | ||||||
08 | aus den kritischen Untersuchungen, die ziemlich stark wider seine | ||||||
09 | sonst angenommene Metaphysik verstoßen dürften, ein Zeit lang bei Seite | ||||||
10 | zu setzen vermag und allererst die Gründe prüft, woraus jene Folgerungen | ||||||
11 | abgeleitet sein mögen. Wäre das, was gemeine Metaphysik vorträgt, | ||||||
12 | ausgemacht gewiß (etwa wie Geometrie), so würde die erste Art zu urtheilen | ||||||
13 | gelten; denn wenn die Folgerungen gewisser Grundsätze ausgemachten | ||||||
14 | Wahrheiten widerstreiten, so sind jene Grundsätze falsch und ohne | ||||||
15 | alle weitere Untersuchung zu verwerfen. Verhält es sich aber nicht so, daß | ||||||
16 | Metaphysik von unstreitig gewissen (synthetischen) Sätzen einen Vorrath | ||||||
17 | habe, und vielleicht gar so, daß ihrer eine Menge, die, eben so scheinbar | ||||||
18 | als die besten unter ihnen, gleichwohl in ihren Folgerungen selbst unter | ||||||
19 | sich streitig sind, überall aber ganz und gar kein sicheres Kriterium der | ||||||
20 | Wahrheit eigentlich=metaphysischer (synthetischer) Sätze in ihr anzutreffen | ||||||
21 | ist: so kann die vorhergehende Art zu urtheilen nicht Statt haben, sondern | ||||||
22 | die Untersuchung der Grundsätze der Kritik muß vor allem Urtheile über | ||||||
23 | ihren Werth oder Unwerth vorhergehen. | ||||||
24 | Probe eines Urtheils über die Kritik, das vor der |
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25 | Untersuchung vorhergeht. |
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26 | Dergleichen Urtheil ist in den Göttingischen gelehrten Anzeigen, der | ||||||
27 | Zugabe dritten Stück vom 19. Jenner 1782 Seite 40 u. f. anzutreffen. | ||||||
28 | Wenn ein Verfasser, der mit dem Gegenstande seines Werks wohl | ||||||
29 | bekannt ist, der durchgängig eigenes Nachdenken in die Bearbeitung desselben | ||||||
30 | zu legen beflissen gewesen, einem Recensenten in die Hände fällt, | ||||||
31 | der seinerseits scharfsichtig gnug ist, die Momente auszuspähen, auf die | ||||||
32 | der Werth oder Unwerth der Schrift eigentlich beruht, nicht an Worten | ||||||
33 | hängt, sondern den Sachen nachgeht und nicht blos die Principien, von | ||||||
34 | denen der Verfasser ausging, sichtet und prüft: so mag dem letzteren zwar | ||||||
35 | die Strenge des Urtheils mißfallen, das Publicum ist dagegen gleichgültig, | ||||||
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