Kant: AA IV, Prolegomena zu einer jeden ... , Seite 364 |
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01 | Einheit haben muß. Daher die unvermeidliche Dialektik der reinen | ||||||
02 | Vernunft in einer Metaphysik als Naturanlage betrachtet, nicht blos als | ||||||
03 | ein Schein, der aufgelöset zu werden bedarf, sondern auch als Naturanstalt | ||||||
04 | seinem Zwecke nach, wenn man kann, erklärt zu werden verdient, wiewohl | ||||||
05 | dieses Geschäfte als überverdienstlich der eigentlichen Metaphysik | ||||||
06 | mit Recht nicht zugemuthet werden darf. | ||||||
07 | Für ein zweites, aber mehr mit dem Inhalte der Metaphysik verwandtes | ||||||
08 | Scholion müßte die Auflösung der Fragen gehalten werden, die | ||||||
09 | in der Kritik von Seite 642 bis 668 fortgehen. Denn da werden gewisse | ||||||
10 | Vernunftprincipien vorgetragen, die die Naturordnung, oder vielmehr den | ||||||
11 | Verstand, der ihre Gesetze durch Erfahrung suchen soll, a priori bestimmen. | ||||||
12 | Sie scheinen constitutiv und gesetzgebend in Ansehung der Erfahrung zu | ||||||
13 | sein, da sie doch aus bloßer Vernunft entspringen, welche nicht so wie Verstand | ||||||
14 | als ein Princip möglicher Erfahrung angesehen werden darf. Ob | ||||||
15 | nun diese Übereinstimmung darauf beruhe, daß, so wie Natur den Erscheinungen | ||||||
16 | oder ihrem Quell, der Sinnlichkeit, nicht an sich selbst anhängt, | ||||||
17 | sondern nur in der Beziehung der letzteren auf den Verstand angetroffen | ||||||
18 | wird, so diesem Verstande die durchgängige Einheit seines Gebrauchs zum | ||||||
19 | Behuf einer gesammten möglichen Erfahrung (in einem System) nur mit | ||||||
20 | Beziehung auf die Vernunft zukommen könne, mithin auch Erfahrung | ||||||
21 | mittelbar unter der Gesetzgebung der Vernunft stehe: mag von denen, | ||||||
22 | welche der Natur der Vernunft auch außer ihrem Gebrauch in der Metaphysik | ||||||
23 | sogar in den allgemeinen Principien eine Naturgeschichte überhaupt | ||||||
24 | systematisch zu machen, nachspüren wollen, weiter erwogen werden; denn | ||||||
25 | diese Aufgabe habe ich in der Schrift selbst zwar als wichtig vorgestellt, | ||||||
26 | aber ihre Auflösung nicht versucht *). | ||||||
*) Es ist mein immerwährender Vorsatz durch die Kritik gewesen, nichts zu versäumen, was die Nachforschung der Natur der reinen Vernunft zur Vollständigkeit bringen könnte, ob es gleich noch so tief verborgen liegen möchte. Es steht nachher in jedermanns Belieben, wie weit er seine Untersuchung treiben will, wenn ihm nur angezeigt worden, welche noch anzustellen sein möchten; denn dieses kann man von demjenigen billig erwarten, der es sich zum Geschäfte gemacht hat, dieses ganze Feld zu übermessen, um es hernach zum künftigen Anbau und beliebigen Austheilung andern zu überlassen. Dahin gehören auch die beiden Scholien, welche sich durch ihre Trockenheit Liebhabern wohl schwerlich empfehlen dürften und daher nur für Kenner hingestellt worden. | |||||||
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