Kant: AA IV, Prolegomena zu einer jeden ... , Seite 363

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 finden, worauf wir Fuß fassen können), sondern damit praktische Principien,      
  02 die, ohne einen solchen Raum für ihre nothwendige Erwartung und      
  03 Hoffnung vor sich zu finden, sich nicht zu der Allgemeinheit ausbreiten      
  04 könnten, deren die Vernunft in moralischer Absicht unumgänglich Bedarf.      
           
  05 Da finde ich nun, daß die psychologische Idee, ich mag dadurch      
  06 auch noch so wenig von der reinen und über alle Erfahrungsbegriffe erhabenen      
  07 Natur der menschlichen Seele einsehen, doch wenigstens die Unzulänglichkeit      
  08 der letzteren deutlich gnug zeige und mich dadurch vom      
  09 Materialism, als einem zu keiner Naturerklärung tauglichen und überdem      
  10 die Vernunft in praktischer Absicht verengenden psychologischen Begriffe,      
  11 abführe. So dienen die kosmologische Ideen durch die sichtbare Unzulänglichkeit      
  12 aller möglichen Naturerkenntniß, die Vernunft in ihrer rechtmäßigen      
  13 Nachfrage zu befriedigen, uns vom Naturalism, der die Natur      
  14 für sich selbst gnugsam ausgeben will, abzuhalten. Endlich da alle Naturnothwendigkeit      
  15 in der Sinnenwelt jederzeit bedingt ist, indem sie immer      
  16 Abhängigkeit der Dinge von andern voraussetzt, und die unbedingte Nothwendigkeit      
  17 nur in der Einheit einer von der Sinnenwelt unterschiedenen      
  18 Ursache gesucht werden muß, die Causalität derselben aber wiederum,      
  19 wenn sie blos Natur wäre, niemals das Dasein des Zufälligen als seine      
  20 Folge begreiflich machen könnte, so macht sich die Vernunft vermittelst der      
  21 theologischen Idee vom Fatalism los, sowohl einer blinden Naturnothwendigkeit      
  22 in dem Zusammenhange der Natur selbst ohne erstes Princip,      
  23 als auch in der Causalität dieses Princips selbst, und führt auf den Begriff      
  24 einer Ursache durch Freiheit, mithin einer obersten Intelligenz.      
  25 So dienen die transscendentale Ideen, wenn gleich nicht dazu, uns positiv      
  26 zu belehren, doch die freche und das Feld der Vernunft verengende Behauptungen      
  27 des Materialismus, Naturalismus und Fatalismus      
  28 aufzuheben und dadurch den moralischen Ideen außer dem Felde der      
  29 Speculation Raum zu verschaffen; und dieses würde, dünkt mich, jene      
  30 Naturanlage einigermaßen erklären.      
           
  31 Der praktische Nutzen, den eine blos speculative Wissenschaft haben      
  32 mag, liegt außerhalb den Grenzen dieser Wissenschaft, kann also blos als      
  33 ein Scholion angesehen werden und gehört wie alle Scholien nicht als      
  34 ein Theil zur Wissenschaft selbst. Gleichwohl liegt diese Beziehung doch      
  35 wenigstens innerhalb den Grenzen der Philosophie, vornehmlich derjenigen,      
  36 welche aus reinen Vernunftquellen schöpft, wo der speculative Gebrauch      
  37 der Vernunft in der Metaphysik mit dem praktischen in der Moral nothwendig      
           
     

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