Kant: AA IV, Prolegomena zu einer jeden ... , Seite 306

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 bringen, die das empirische Urtheil objectiv=gültig machen, so sind      
  02 diese die Grundsätze a priori möglicher Erfahrung.      
           
  03 Die Grundsätze möglicher Erfahrung sind nun zugleich allgemeine      
  04 Gesetze der Natur, welche a priori erkannt werden können. Und so ist die      
  05 Aufgabe, die in unsrer vorliegenden zweiten Frage liegt: Wie ist reine      
  06 Naturwissenschaft möglich?, aufgelöset. Denn das Systematische,      
  07 was zur Form einer Wissenschaft erfordert wird, ist hier vollkommen anzutreffen,      
  08 weil über die genannte formale Bedingungen aller Urtheile überhaupt,      
  09 mithin aller Regeln überhaupt, die die Logik darbietet, keine mehr      
  10 möglich sind, und diese ein logisches System, die darauf gegründeten      
  11 Begriffe aber, welche die Bedingungen a priori zu allen synthetischen und      
  12 nothwendigen Urtheilen enthalten, eben darum ein transscendentales, endlich      
  13 die Grundsätze, vermittelst deren alle Erscheinungen unter diese Begriffe      
  14 subsumirt werden, ein physiologisches, d. i. ein Natursystem ausmachen,      
  15 welches vor aller empirischen Naturerkenntniß vorhergeht, diese      
  16 zuerst möglich macht und daher die eigentliche allgemeine und reine Naturwissenschaft      
  17 genannt werden kann.      
           
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§ 24.
     
           
  19 Der erste*) jener physiologischen Grundsätze subsumirt alle Erscheinungen,      
  20 als Anschauungen im Raum und Zeit, unter den Begriff der      
  21 Größe und ist so fern ein Princip der Anwendung der Mathematik auf      
  22 Erfahrung. Der zweite subsumirt das eigentlich Empirische, nämlich die      
  23 Empfindung, die das Reale der Anschauungen bezeichnet, nicht geradezu      
  24 unter den Begriff der Größe, weil Empfindung keine Anschauung ist, die      
  25 Raum oder Zeit enthielte, ob sie gleich den ihr correspondirenden Gegenstand      
  26 in beide setzt; allein es ist zwischen Realität (Empfindungsvorstellung)      
  27 und der Null, d. i. dem gänzlich Leeren der Anschauung, in der      
  28 Zeit doch ein Unterschied, der eine Größe hat, da nämlich zwischen einem      
  29 jeden gegebenen Grade Licht und der Finsterniß, zwischen einem jeden      
  30 Grade Wärme und der gänzlichen Kälte, jedem Grad der Schwere und      
  31 der absoluten Leichtigkeit, jedem Grade der Erfüllung des Raumes und      
           
    *) Diese drei auf einander folgende Paragraphen werden schwerlich gehörig verstanden werden können, wenn man nicht das, was die Kritik über die Grundsätze sagt, dabei zur Hand nimmt; sie können aber den Nutzen haben, das Allgemeine derselben leichter zu übersehen und auf die Hauptmomente Acht zu haben.      
           
     

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