Kant: AA IV, Prolegomena zu einer jeden ... , Seite 299

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 des Gegenstandes (denn diese ist unmöglich), sondern blos von      
  02 der Bedingung der Allgemeingültigkeit der empirischen Urtheile entlehnen,      
  03 die, wie gesagt, niemals auf den empirischen, ja überhaupt sinnlichen Bedingungen,      
  04 sondern auf einem reinen Verstandesbegriffe beruht. Das      
  05 Object bleibt an sich selbst immer unbekannt; wenn aber durch den Verstandesbegriff      
  06 die Verknüpfung der Vorstellungen, die unsrer Sinnlichkeit      
  07 von ihm gegeben sind, als allgemeingültig bestimmt wird, so wird der      
  08 Gegenstand durch dieses Verhältniß bestimmt, und das Urtheil ist objectiv.      
           
  10 Wir wollen dieses erläutern: daß das Zimmer warm, der Zucker süß,      
  11 der Wermuth widrig sei*), sind blos subjectiv gültige Urtheile. Ich verlange      
  12 gar nicht, daß ich es jederzeit oder jeder andre es eben so wie ich      
  13 finden soll; sie drücken nur eine Beziehung zweier Empfindungen auf dasselbe      
  14 Subject, nämlich mich selbst und auch nur in meinem diesmaligen      
  15 Zustande der Wahrnehmung, aus und sollen daher auch nicht vom Objecte      
  16 gelten; dergleichen nenne ich Wahrnehmungsurtheile. Eine ganz andere      
  17 Bewandtniß hat es mit dem Erfahrungsurtheile. Was die Erfahrung      
  18 unter gewissen Umständen mich lehrt, muß sie mich jederzeit und auch jedermann      
  19 lehren, und die Gültigkeit derselben schränkt sich nicht auf das Subject      
  20 oder seinen damaligen Zustand ein. Daher spreche ich alle dergleichen      
  21 Urtheile als objectiv gültige aus; als z. B . wenn ich sage, die Luft ist      
  22 elastisch, so ist dieses Urtheil zunächst nur ein Wahrnehmungsurtheil, ich      
  23 beziehe zwei Empfindungen in meinen Sinnen nur auf einander. Will      
  24 ich, es soll Erfahrungsurtheil heißen, so verlange ich, daß diese Verknüpfung      
  25 unter einer Bedingung stehe, welche sie allgemein gültig macht. Ich      
  26 will also, daß ich jederzeit und auch jedermann dieselbe Wahrnehmung      
  27 unter denselben umständen nothwendig verbinden müsse.      
           
           
    *) Ich gestehe gern, daß diese Beispiele nicht solche Wahrnehmungsurtheile vorstellen, die jemals Erfahrungsurtheile werden könnten, wenn man auch einen Verstandesbegriff hinzu thäte, weil sie sich blos aufs Gefühl, welches jedermann als blos subjectiv erkennt und welches also niemals dem Object beigelegt werden darf, beziehen und also auch niemals objectiv werden können; ich wollte nur vor der Hand ein Beispiel von dem Urtheile geben, was blos subjectiv gültig ist und in sich keinen Grund zur nothwendigen Allgemeingültigkeit und dadurch zu einer Beziehung aufs Object enthält. Ein Beispiel der Wahrnehmungsurtheile, die durch hinzugesetzten Verstandesbegriff Erfahrungsurtheile werden, folgt in der nächsten Anmerkung.      
           
     

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