Kant: AA IV, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 241

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Blendwerke beruhen, nach welchem man das, was blos in Gedanken      
  02 existirt, hypostasirt und in eben derselben Qualität als einen wirklichen      
  03 Gegenstand außerhalb dem denkenden Subjecte annimmt, nämlich Ausdehnung,      
  04 die nichts als Erscheinung ist, für eine auch ohne unsere Sinnlichkeit      
  05 subsistirende Eigenschaft äußerer Dinge und Bewegung für deren      
  06 Wirkung, welche auch außer unseren Sinnen an sich wirklich vorgeht, zu      
  07 halten. Denn die Materie, deren Gemeinschaft mit der Seele so großes      
  08 Bedenken erregt, ist nichts anders als eine bloße Form oder eine gewisse      
  09 Vorstellungsart eines unbekannten Gegenstandes durch diejenige Anschauung,      
  10 welche man den äußeren Sinn nennt. Es mag also wohl etwas      
  11 außer uns sein, dem diese Erscheinung, welche wir Materie nennen, correspondirt;      
  12 aber in derselben Qualität als Erscheinung ist es nicht außer      
  13 uns, sondern lediglich als ein Gedanke in uns, wiewohl dieser Gedanke      
  14 durch genannten Sinn es als außer uns befindlich vorstellt. Materie bedeutet      
  15 also nicht eine von dem Gegenstande des inneren Sinnes (Seele)      
  16 so ganz unterschiedene und heterogene Art von Substanzen, sondern nur      
  17 die Ungleichartigkeit der Erscheinungen von Gegenständen (die uns an sich      
  18 selbst unbekannt sind), deren Vorstellungen wir äußere nennen in Vergleichung      
  19 mit denen, die wir zum inneren Sinne zählen, ob sie gleich eben      
  20 sowohl blos zum denkenden Subjecte, als alle übrige Gedanken gehören,      
  21 nur daß sie dieses Täuschende an sich haben: daß, da sie Gegenstände im      
  22 Raume vorstellen, sie sich gleichsam von der Seele ablösen und außer ihr      
  23 zu schweben scheinen, da doch selbst der Raum, darin sie angeschauet      
  24 werden, nichts als eine Vorstellung ist, deren Gegenbild in derselben      
  25 Qualität außer der Seele gar nicht angetroffen werden kann. Nun ist die      
  26 Frage nicht mehr von der Gemeinschaft der Seele mit anderen bekannten      
  27 und fremdartigen Substanzen außer uns, sondern blos von der Verknüpfung      
  28 der Vorstellungen des inneren Sinnes mit den Modificationen      
  29 unserer äußeren Sinnlichkeit, und wie diese unter einander nach beständigen      
  30 Gesetzen verknüpft sein mögen, so daß sie in einer Erfahrung zusammenhängen.      
           
  32 So lange wir innere und äußere Erscheinungen als bloße Vorstellungen      
  33 in der Erfahrung mit einander zusammen halten, so finden wir nichts      
  34 Widersinnisches und welches die Gemeinschaft beider Art Sinne befremdlich      
  35 machte. Sobald wir aber die äußere Erscheinungen hypostasiren, sie      
  36 nicht mehr als Vorstellungen, sondern in derselben Qualität, wie sie      
  37 in uns sind, auch als außer uns für sich bestehende Dinge, ihre      
           
     

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