Kant: AA IV, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 242 |
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01 | Handlungen aber, die sie als Erscheinungen gegen einander im Verhältniß | ||||||
02 | zeigen, auf unser denkendes Subject beziehen, so haben wir einen | ||||||
03 | Charakter der wirkenden Ursachen außer uns, der sich mit ihren Wirkungen | ||||||
04 | in uns nicht zusammen reimen will, weil jener sich blos auf äußere Sinne, | ||||||
05 | diese aber auf den innern Sinn beziehen, welche, ob sie zwar in einem | ||||||
06 | Subjecte vereinigt, dennoch höchst ungleichartig sind. Da haben wir denn | ||||||
07 | keine andere äußere Wirkungen als Veränderungen des Orts und keine | ||||||
08 | Kräfte als blos Bestrebungen, welche auf Verhältnisse im Raume als ihre | ||||||
09 | Wirkungen auslaufen. In uns aber sind die Wirkungen Gedanken, unter | ||||||
10 | denen kein Verhältniß des Orts, Bewegung, Gestalt oder Raumesbestimmung | ||||||
11 | überhaupt statt findet, und wir verlieren den Leitfaden der Ursachen | ||||||
12 | gänzlich an den Wirkungen, die sich davon in dem inneren Sinne | ||||||
13 | zeigen sollten. Aber wir sollten bedenken: daß nicht die Körper Gegenstände | ||||||
14 | an sich sind, die uns gegenwärtig sind, sondern eine bloße Erscheinung | ||||||
15 | wer weiß welches unbekannten Gegenstandes; daß die Bewegung | ||||||
16 | nicht die Wirkung dieser unbekannten Ursache, sondern blos die Erscheinung | ||||||
17 | ihres Einflusses auf unsere Sinne sei, daß folglich beide nicht Etwas | ||||||
18 | außer uns, sondern blos Vorstellungen in uns seien, mithin daß nicht die | ||||||
19 | Bewegung der Materie in uns Vorstellungen wirke, sondern daß sie selbst | ||||||
20 | (mithin auch die Materie, die sich dadurch kennbar macht) bloße Vorstellung | ||||||
21 | sei; und endlich die ganze selbstgemachte Schwierigkeit darauf | ||||||
22 | hinauslaufe: wie und durch welche Ursache die Vorstellungen unserer Sinnlichkeit | ||||||
23 | so untereinander in Verbindung stehen, daß diejenige, welche wir | ||||||
24 | äußere Anschauungen nennen, nach empirischen Gesetzen als Gegenstände | ||||||
25 | außer uns vorgestellt werden können; welche Frage nun ganz und gar | ||||||
26 | nicht die vermeinte Schwierigkeit enthält, den Ursprung der Vorstellungen | ||||||
27 | von außer uns befindlichen, ganz fremdartigen wirkenden Ursachen zu erklären, | ||||||
28 | indem wir die Erscheinungen einer unbekannten Ursache für die | ||||||
29 | Ursache außer uns nehmen, welches nichts als Verwirrung veranlassen | ||||||
30 | kann. In Urtheilen, in denen eine durch lange Gewohnheit eingewurzelte | ||||||
31 | Mißdeutung vorkommt, ist es unmöglich, die Berichtigung sofort zu derjenigen | ||||||
32 | Faßlichkeit zu bringen, welche in anderen Fällen gefördert werden | ||||||
33 | kann, wo keine dergleichen unvermeidliche Illusion den Begriff verwirrt. | ||||||
34 | Daher wird diese unsere Befreiung der Vernunft von sophistischen Theorien | ||||||
35 | schwerlich schon die Deutlichkeit haben, die ihr zur völligen Befriedigung | ||||||
36 | nöthig ist. | ||||||
37 | Ich glaube diese auf folgende Weise befördern zu können. | ||||||
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