Kant: AA IV, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 238

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 sowohl als inneren Wahrnehmungen zu einer Erfahrung hineinbringt,      
  02 müssen auch beiderseits Erscheinungen unter sich verknüpft werden. Wollte      
  03 man aber den Begriff des Dualismus, wie es gewöhnlich geschieht, erweitern      
  04 und ihn im transscendentalen Verstande nehmen, so hätten weder      
  05 er, noch der ihm entgegengesetzte Pneumatismus einerseits, oder der      
  06 Materialismus andererseits nicht den mindesten Grund, indem man      
  07 alsdann die Bestimmung seiner Begriffe verfehlte und die Verschiedenheit      
  08 der Vorstellungsart von Gegenständen, die uns nach dem, was sie an sich      
  09 sind, unbekannt bleiben, für eine Verschiedenheit dieser Dinge selbst hält.      
  10 Ich, durch den innern Sinn in der Zeit vorgestellt, und Gegenstände im      
  11 Raume außer mir sind zwar specifisch ganz unterschiedene Erscheinungen,      
  12 aber dadurch werden sie nicht als verschiedene Dinge gedacht. Das transscendentale      
  13 Object, welches den äußeren Erscheinungen, imgleichen      
  14 das, was der innern Anschauung zum Grunde liegt, ist weder Materie,      
  15 noch ein denkend Wesen an sich selbst, sondern ein uns unbekannter Grund      
  16 der Erscheinungen, die den empirischen Begriff von der ersten sowohl als      
  17 zweiten Art an die Hand geben.      
           
  18 Wenn wir also, wie uns denn die gegenwärtige Kritik augenscheinlich      
  19 dazu nöthigt, der oben festgesetzten Regel treu bleiben, unsere Fragen nicht      
  20 weiter zu treiben, als nur so weit mögliche Erfahrung uns das Object derselben      
  21 an die Hand geben kann: so werden wir es uns nicht einmal einfallen      
  22 lassen, über die Gegenstände unserer Sinne nach demjenigen, was      
  23 sie an sich selbst, d. i. ohne alle Beziehung auf die Sinne, sein mögen, Erkundigung      
  24 anzustellen. Wenn aber der Psycholog Erscheinungen für Dinge      
  25 an sich selbst nimmt, so mag er als Materialist einzig und allein Materie,      
  26 oder als Spiritualist blos denkende Wesen (nämlich nach der Form unsers      
  27 innern Sinnes), oder als Dualist beide als für sich existirende Dinge in      
  28 seinen Lehrbegriff aufnehmen: so ist er doch immer durch Mißverstand      
  29 hingehalten über die Art zu vernünfteln, wie dasjenige an sich selbst existiren      
  30 möge, was doch kein Ding an sich, sondern nur die Erscheinung eines      
  31 Dinges überhaupt ist.      
           
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Betrachtung
     
  33
über die Summe der reinen Seelenlehre zu Folge diesen
     
  34
Paralogismen.
     
           
  35 Wenn wir die Seelenlehre als die Physiologie des inneren Sinnes      
  36 mit der Körperlehre als einer Physiologie der Gegenstände äußerer      
           
     

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