Kant: AA IV, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 237 |
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01 | von dialektischen Schlüssen, der die Vernunft in ihrem inneren Streite in | ||||||
02 | Ansehung der Begriffe von der Möglichkeit dessen, was in den Zusammenhang | ||||||
03 | der Erfahrung gehört, vorstellt, wird auch dieser Schwierigkeit abhelfen. | ||||||
04 | Der sceptische Idealist aber, der blos den Grund unserer Behauptung | ||||||
05 | anficht und unsere Überredung von dem Dasein der Materie, | ||||||
06 | die wir auf unmittelbare Wahrnehmung zu gründen glauben, für unzureichend | ||||||
07 | erklärt, ist so fern ein Wohlthäter der menschlichen Vernunft, als | ||||||
08 | er uns nöthigt, selbst bei dem kleinsten Schritte der gemeinen Erfahrung | ||||||
09 | die Augen wohl aufzuthun und, was wir vielleicht nur erschleichen, nicht | ||||||
10 | sogleich als wohlerworben in unseren Besitz aufzunehmen. Der Nutzen, | ||||||
11 | den diese idealistische Einwürfe hier schaffen, fällt jetzt klar in die Augen. | ||||||
12 | Sie treiben uns mit Gewalt dahin, wenn wir uns nicht in unseren gemeinsten | ||||||
13 | Behauptungen verwickeln wollen, alle Wahrnehmungen, sie | ||||||
14 | mögen nun innere oder äußere heißen, blos als ein Bewußtsein dessen, | ||||||
15 | was unserer Sinnlichkeit anhängt, und die äußere Gegenstände derselben | ||||||
16 | nicht für Dinge an sich selbst, sondern nur für Vorstellungen anzusehen, | ||||||
17 | deren wir uns wie jeder anderen Vorstellung unmittelbar bewußt werden | ||||||
18 | können, die aber darum äußere heißen, weil sie demjenigen Sinne anhängen, | ||||||
19 | den wir den äußeren Sinn nennen, dessen Anschauung der Raum | ||||||
20 | ist, der aber doch selbst nichts anders als eine innere Vorstellungsart ist, | ||||||
21 | in welcher sich gewisse Wahrnehmungen mit einander verknüpfen. | ||||||
22 | Wenn wir äußere Gegenstände für Dinge an sich gelten lassen, so ist | ||||||
23 | schlechthin unmöglich zu begreifen, wie wir zur Erkenntniß ihrer Wirklichkeit | ||||||
24 | außer uns kommen sollten, indem wir uns blos auf die Vorstellung | ||||||
25 | stützen, die in uns ist. Denn man kann doch außer sich nicht empfinden, | ||||||
26 | sondern nur in sich selbst, und das ganze Selbstbewußtsein liefert daher | ||||||
27 | nichts, als lediglich unsere eigene Bestimmungen. Also nöthigt uns der | ||||||
28 | sceptische Idealism, die einzige Zuflucht, die uns übrig bleibt, nämlich zu | ||||||
29 | der Idealität aller Erscheinungen, zu ergreifen, welche wir in der transscendentalen | ||||||
30 | Ästhetik unabhängig von diesen Folgen, die wir damals nicht | ||||||
31 | voraussehen konnten, dargethan haben. Frägt man nun, ob denn diesem | ||||||
32 | zu Folge der Dualism allein in der Seelenlehre statt finde, so ist die Antwort: | ||||||
33 | Allerdings! aber nur im empirischen Verstande; d. i. in dem Zusammenhange | ||||||
34 | der Erfahrung ist wirklich Materie als Substanz in der | ||||||
35 | Erscheinung dem äußeren Sinne, so wie das denkende Ich, gleichfalls als | ||||||
36 | Substanz in der Erscheinung, vor dem inneren Sinne gegeben; und nach | ||||||
37 | den Regeln, welche diese Kategorie in den Zusammenhang unserer äußeren | ||||||
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