Kant: AA IV, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 218 |
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01 | 4. | ||||||
02 | Im Verhältnisse | ||||||
03 | zu möglichen Gegenständen im Raume*). | ||||||
04 | Aus diesen Elementen entspringen alle Begriffe der reinen Seelenlehre | ||||||
05 | lediglich durch die Zusammensetzung, ohne im mindesten ein anderes | ||||||
06 | Principium zu erkennen. Diese Substanz blos als Gegenstand des inneren | ||||||
07 | Sinnes giebt den Begriff der Immaterialität, als einfache Substanz | ||||||
08 | der Incorruptibilität, die Identität derselben als intellectueller Substanz | ||||||
09 | giebt die Personalität, alle diese drei Stücke zusammen die | ||||||
10 | Spiritualität, das Verhältniß zu den Gegenständen im Raume giebt | ||||||
11 | das Commercium mit Körpern; mithin stellt sie die denkende Substanz | ||||||
12 | als das Principium des Lebens in der Materie, d. i. sie als Seele ( anima ) | ||||||
13 | und als den Grund der Animalität, vor; diese, durch die Spiritualität | ||||||
14 | eingeschränkt, Immortalität. | ||||||
15 | Hierauf beziehen sich nun vier Paralogismen einer transscendentalen | ||||||
16 | Seelenlehre, welche fälschlich für eine Wissenschaft der reinen Vernunft | ||||||
17 | von der Natur unseres denkenden Wesens gehalten wird. Zum Grunde | ||||||
18 | derselben können wir aber nichts anderes legen, als die einfache und für | ||||||
19 | sich selbst an Inhalt gänzlich leere Vorstellung: Ich, von der man nicht | ||||||
20 | einmal sagen kann, daß sie ein Begriff sei, sondern ein bloßes Bewußtsein, | ||||||
21 | das alle Begriffe begleitet. Durch dieses Ich oder Er oder Es (das Ding), | ||||||
22 | welches denkt, wird nun nichts weiter als ein transscendentales Subject | ||||||
23 | der Gedanken vorgestellt = X, welches nur durch die Gedanken, die seine | ||||||
24 | Prädicate sind, erkannt wird und wovon wir abgesondert niemals den | ||||||
25 | mindesten Begriff haben können, um welches wir uns daher in einem beständigen | ||||||
26 | Cirkel herumdrehen, indem wir uns seiner Vorstellung jederzeit | ||||||
27 | schon bedienen müssen, um irgend etwas von ihm zu urtheilen; eine Unbequemlichkeit, | ||||||
*) Der Leser, der aus diesen Ausdrücken in ihrer transscendentalen Abgezogenheit nicht so leicht den psychologischen Sinn derselben und warum das letztere Attribut der Seele zur Kategorie der Existenz gehöre, errathen wird, wird sie in dem folgenden hinreichend erklärt und gerechtfertigt finden. Übrigens habe ich wegen der lateinischen Ausdrücke, die statt der gleichbedeutenden deutschen wider den Geschmack der guten Schreibart eingeflossen sind, sowohl bei diesem Abschnitte, als auch in Ansehung des ganzen Werks zur Entschuldigung anzuführen, daß ich lieber etwas der Zierlichkeit der Sprache habe entziehen, als den Schulgebrauch durch die mindeste Unverständlichkeit erschweren wollen. | |||||||
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