| Kant: AA IV, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 215 | |||||||
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| 01 | selbst der Weiseste unter allen Menschen sich nicht losmachen und vielleicht | ||||||
| 02 | zwar nach vieler Bemühung den Irrthum Verhüten, den Schein aber, der | ||||||
| 03 | ihn unaufhörlich zwackt und äfft, niemals völlig los werden kann. | ||||||
| 04 | Dieser dialektischen Vernunftschlüsse giebt es also nur dreierlei Arten, | ||||||
| 05 | so vielfach als die Ideen sind, auf die ihre Schlußsätze auslaufen. In dem | ||||||
| 06 | Vernunftschlusse der ersten Classe schließe ich von dem transscendentalen | ||||||
| 07 | Begriffe des Subjects, der nichts Mannigfaltiges enthält, auf die absolute | ||||||
| 08 | Einheit dieses Subjects selber, von welchem ich auf diese Weise gar keinen | ||||||
| 09 | Begriff habe. Diesen dialektischen Schluß werde ich den transscendentalen | ||||||
| 10 | Paralogismus nennen. Die zweite Classe der vernünftelnden Schlüsse | ||||||
| 11 | ist auf den transscendentalen Begriff der absoluten Totalität der Reihe | ||||||
| 12 | der Bedingungen zu einer gegebenen Erscheinung überhaupt angelegt; | ||||||
| 13 | und ich schließe daraus, daß ich von der unbedingten synthetischen Einheit | ||||||
| 14 | der Reihe auf einer Seite jederzeit einen sich selbst widersprechenden Begriff | ||||||
| 15 | habe, auf die Richtigkeit der entgegenstehenden Einheit, wovon ich | ||||||
| 16 | gleichwohl auch keinen Begriff habe. Den Zustand der Vernunft bei diesen | ||||||
| 17 | dialektischen Schlüssen werde ich die Antinomie der reinen Vernunft | ||||||
| 18 | nennen. Endlich schließe ich nach der dritten Art vernünftelnder Schlüsse | ||||||
| 19 | von der Totalität der Bedingungen, Gegenstände überhaupt, so fern sie | ||||||
| 20 | mir gegeben werden können, zu denken, auf die absolute synthetische Einheit | ||||||
| 21 | aller Bedingungen der Möglichkeit der Dinge überhaupt, d. i. von | ||||||
| 22 | Dingen, die ich nach ihrem bloßen transscendentalen Begriff nicht kenne, | ||||||
| 23 | auf ein Wesen aller Wesen, welches ich durch einen transscendenten Begriff | ||||||
| 24 | noch weniger kenne und von dessen unbedingter Nothwendigkeit ich | ||||||
| 25 | mir keinen Begriff machen kann. Diesen dialektischen Vernunftschluß | ||||||
| 26 | werde ich das Ideal der reinen Vernunft nennen. | ||||||
| 27 | Des | ||||||
| 28 | Zweiten Buchs der transscendentalen Dialektik | ||||||
| 29 | Erstes Hauptstück. | ||||||
| 30 | Von den Paralogismen der reinen Vernunft. | ||||||
| 31 | Der logische Paralogismus besteht in der Falschheit eines Vernunftschlusses | ||||||
| 32 | der Form nach, sein Inhalt mag übrigens sein, welcher er wolle. | ||||||
| 33 | Ein transscendentaler Paralogismus aber hat einen transscendentalen | ||||||
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