| Kant: AA IV, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 191 | |||||||
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| 01 | Illusion zu thun, die selbst auf subjectiven Grundsätzen beruht und sie | ||||||
| 02 | als objective unterschiebt, anstatt daß die logische Dialektik in Auflösung | ||||||
| 03 | der Trugschlüsse es nur mit einem Fehler in Befolgung der Grundsätze, | ||||||
| 04 | oder mit einem gekünstelten Scheine in Nachahmung derselben zu thun hat. | ||||||
| 05 | Es giebt also eine natürliche und unvermeidliche Dialektik der reinen Vernunft, | ||||||
| 06 | nicht eine, in die sich etwa ein Stümper durch Mangel an Kenntnissen | ||||||
| 07 | selbst verwickelt, oder die irgend ein Sophist, um vernünftige Leute | ||||||
| 08 | zu verwirren, künstlich ersonnen hat, sondern die der menschlichen Vernunft | ||||||
| 09 | unhintertreiblich anhängt und selbst, nachdem wir ihr Blendwerk | ||||||
| 10 | aufgedeckt haben, dennoch nicht aufhören wird, ihr vorzugaukeln und sie | ||||||
| 11 | unablässig in augenblickliche Verirrungen zu stoßen, die jederzeit gehoben | ||||||
| 12 | zu werden bedürfen. | ||||||
| 13 | II | ||||||
| 14 | Von der reinen Vernunft als dem Sitze | ||||||
| 15 | des transscendentalen Scheins. | ||||||
| 16 | A. | ||||||
| 17 | Von der Vernunft überhaupt. | ||||||
| 18 | Alle unsere Erkenntniß hebt von den Sinnen an, geht von da zum | ||||||
| 19 | Verstande und endigt bei der Vernunft, über welche nichts Höheres in uns | ||||||
| 20 | angetroffen wird, den Stoff der Anschauung zu bearbeiten und unter die | ||||||
| 21 | höchste Einheit des Denkens zu bringen. Da ich jetzt von dieser obersten | ||||||
| 22 | Erkenntnißkraft eine Erklärung geben soll, so finde ich mich in einiger Verlegenheit. | ||||||
| 23 | Es giebt von ihr, wie von dem Verstande einen blos formalen, | ||||||
| 24 | d. i. logischen, Gebrauch, da die Vernunft von allem Inhalte der Erkenntniß | ||||||
| 25 | abstrahirt, aber auch einen realen, da sie selbst den Ursprung gewisser | ||||||
| 26 | Begriffe und Grundsätze enthält, die sie weder von den Sinnen, noch vom | ||||||
| 27 | Verstande entlehnt. Das erstere Vermögen ist nun freilich vorlängst von | ||||||
| 28 | den Logikern durch das Vermögen mittelbar zu schließen (zum Unterschiede | ||||||
| 29 | von den unmittelbaren Schlüssen, consequentiis immediatis ) erklärt worden, | ||||||
| 30 | das zweite aber, welches selbst Begriffe erzeugt, wird dadurch noch | ||||||
| 31 | nicht eingesehen. Da nun hier eine Eintheilung der Vernunft in ein | ||||||
| 32 | logisches und transscendentales Vermögen vorkommt, so muß ein höherer | ||||||
| 33 | Begriff von dieser Erkenntnißquelle gesucht werden, welcher beide Begriffe | ||||||
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