Kant: AA IV, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 155

     
           
 

Zeile:

 

Text (Kant):

 

 

 

 
  01
Der
     
  02
Transscendentalen Doctrin der Urtheilskraft
     
  03
(Analytik der Grundsätze)
     
           
  04

Drittes Hauptstück.

     
  05

Von dem Grunde der Unterscheidung aller Gegenstände

     
  06

überhaupt

     
  07

in

     
  08

Phaenomena und Noumena.

     
           
  09 Wir haben jetzt das Land des reinen Verstandes nicht allein durchreiset      
  10 und jeden Theil davon sorgfältig in Augenschein genommen, sondern      
  11 es auch durchmessen und jedem Dinge auf demselben seine Stelle bestimmt.      
  12 Dieses Land aber ist eine Insel und durch die Natur selbst in unveränderliche      
  13 Gränzen eingeschlossen. Es ist das Land der Wahrheit (ein reizender      
  14 Name), umgeben von einem weiten und stürmischen Oceane, dem eigentlichen      
  15 Sitze des Scheins, wo manche Nebelbank und manches bald wegschmelzende      
  16 Eis neue Länder lügt und, indem es den auf Entdeckungen      
  17 herumschwärmenden Seefahrer unaufhörlich mit leeren Hoffnungen täuscht,      
  18 ihn in Abentheuer verflicht, von denen er niemals ablassen und sie doch      
  19 auch niemals zu Ende bringen kann. Ehe wir uns aber auf dieses Meer      
  20 wagen, um es nach allen Breiten zu durchsuchen und gewiß zu werden,      
  21 ob etwas in ihnen zu hoffen sei, so wird es nützlich sein, zuvor noch einen      
  22 Blick auf die Karte des Landes zu werfen, das wir eben verlassen wollen,      
  23 und erstlich zu fragen, ob wir mit dem, was es in sich enthält, nicht allenfalls      
  24 zufrieden sein könnten, oder auch aus Noth zufrieden sein müssen,      
  25 wenn es sonst überall keinen Boden giebt, auf dem wir uns anbauen könnten,      
  26 zweitens, unter welchem Titel wir denn selbst dieses Land besitzen      
  27 und uns wider alle feindselige Ansprüche gesichert halten können. Obschon      
  28 wir diese Fragen in dem Lauf der Analytik schon hinreichend beantwortet      
  29 haben, so kann doch ein summarischer Überschlag ihrer Auflösungen die      
  30 Überzeugung dadurch verstärken, daß er die Momente derselben in einem      
  31 Punkt vereinigt.      
           
  32 Wir haben nämlich gesehen: daß alles, was der Verstand aus sich      
  33 selbst schöpft, ohne es von der Erfahrung zu borgen, das habe er dennoch      
           
     

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