Kant: AA IV, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 150

     
           
 

Zeile:

 

Text (Kant):

 

 

 

 
  01 feiner wären, deren Grobheit die Form möglicher Erfahrung überhaupt      
  02 nichts angeht. Wo also Wahrnehmung und deren Anhang nach empirischen      
  03 Gesetzen hinreicht, dahin reicht auch unsere Erkenntniß vom Dasein der      
  04 Dinge. Fangen wir nicht von Erfahrung an, oder gehen wir nicht nach      
  05 Gesetzen des empirischen Zusammenhanges der Erscheinungen fort, so      
  06 machen wir uns vergeblich Staat, das Dasein irgend eines Dinges errathen      
  07 oder erforschen zu wollen.      
           
  08 Was endlich das dritte Postulat betrifft, so geht es auf die materiale      
  09 Nothwendigkeit im Dasein und nicht die blos formale und logische in Verknüpfung      
  10 der Begriffe. Da nun keine Existenz der Gegenstände der Sinne      
  11 völlig a priori erkannt werden kann, aber doch comparative a priori, relativisch      
  12 auf ein anderes schon gegebenes Dasein, man gleichwohl aber auch      
  13 alsdann nur auf diejenige Existenz kommen kann, die irgendwo in dem      
  14 Zusammenhange der Erfahrung, davon die gegebene Wahrnehmung ein      
  15 Theil ist, enthalten sein muß: so kann die Nothwendigkeit der Existenz niemals      
  16 aus Begriffen, sondern jederzeit nur aus der Verknüpfung mit demjenigen,      
  17 was wahrgenommen wird, nach allgemeinen Gesetzen der Erfahrung      
  18 erkannt werden. Da ist nun kein Dasein, was unter der Bedingung      
  19 anderer gegebener Erscheinungen als nothwendig erkannt werden könnte,      
  20 als das Dasein der Wirkungen aus gegebenen Ursachen nach Gesetzen der      
  21 Causalität. Also ist es nicht das Dasein der Dinge (Substanzen), sondern      
  22 ihres Zustandes, wovon wir allein die Nothwendigkeit erkennen können      
  23 und zwar aus anderen Zuständen, die in der Wahrnehmung gegeben sind,      
  24 nach empirischen Gesetzen der Causalität. Hieraus folgt, daß das Kriterium      
  25 der Nothwendigkeit lediglich in dem Gesetze der möglichen Erfahrung      
  26 liege, daß alles, was geschieht, durch seine Ursache in der Erscheinung      
  27 a priori bestimmt sei. Daher erkennen wir nur die Nothwendigkeit der      
  28 Wirkungen in der Natur, deren Ursachen uns gegeben sind, und das      
  29 Merkmal der Nothwendigkeit im Dasein reicht nicht weiter, als das Feld      
  30 möglicher Erfahrung, und selbst in diesem gilt es nicht von der Existenz      
  31 der Dinge als Substanzen, weil diese niemals als empirische Wirkungen      
  32 oder etwas, das geschieht und entsteht, können angesehen werden. Die      
  33 Nothwendigkeit betrifft also nur die Verhältnisse der Erscheinungen nach      
  34 dem dynamischen Gesetze der Causalität und die darauf sich gründende      
  35 Möglichkeit, aus irgend einem gegebenen Dasein (einer Ursache) a priori      
  36 auf ein anderes Dasein (der Wirkung) zu schließen. Alles, was geschieht,      
  37 ist hypothetisch nothwendig: das ist ein Grundsatz, welcher die Veränderung      
           
     

[ Seite 149 ] [ Seite 151 ] [ Inhaltsverzeichnis ]