Kant: AA IV, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 146 |
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01 | seinen Bestimmungen) zum Verstande und dessen empirischen Gebrauche, | ||||||
02 | zur empirischen Urtheilskraft und zur Vernunft (in ihrer Anwendung auf | ||||||
03 | Erfahrung) verhalte. | ||||||
04 | Eben um deswillen sind auch die Grundsätze der Modalität nichts | ||||||
05 | weiter, als Erklärungen der Begriffe der Möglichkeit, Wirklichkeit und Nothwendigkeit | ||||||
06 | in ihrem empirischen Gebrauche und hiemit zugleich Restrictionen | ||||||
07 | aller Kategorien auf den blos empirischen Gebrauch, ohne den transscendentalen | ||||||
08 | zuzulassen und zu erlauben. Denn wenn diese nicht eine blos | ||||||
09 | logische Bedeutung haben und die Form des Denkens analytisch ausdrücken | ||||||
10 | sollen, sondern Dinge und deren Möglichkeit, Wirklichkeit oder | ||||||
11 | Nothwendigkeit betreffen sollen, so müssen sie auf die mögliche Erfahrung | ||||||
12 | und deren synthetische Einheit gehen, in welcher allein Gegenstände der | ||||||
13 | Erkenntniß gegeben werden. | ||||||
14 | Das Postulat der Möglichkeit der Dinge fordert also, daß der Begriff | ||||||
15 | derselben mit den formalen Bedingungen einer Erfahrung überhaupt | ||||||
16 | zusammenstimme. Diese, nämlich die objective Form der Erfahrung überhaupt, | ||||||
17 | enthält aber alle Synthesis, welche zur Erkenntniß der Objecte | ||||||
18 | erfordert wird. Ein Begriff, der eine Synthesis in sich faßt, ist für leer | ||||||
19 | zu halten und bezieht sich auf keinen Gegenstand, wenn diese Synthesis | ||||||
20 | nicht zur Erfahrung gehört, entweder als von ihr erborgt, und dann heißt | ||||||
21 | er ein empirischer Begriff, oder als eine solche, auf der als Bedingung | ||||||
22 | a priori Erfahrung überhaupt (die Form derselben) beruht, und dann | ||||||
23 | ist es ein reiner Begriff, der dennoch zur Erfahrung gehört, weil sein | ||||||
24 | Object nur in dieser angetroffen werden kann. Denn wo will man den | ||||||
25 | Charakter der Möglichkeit eines Gegenstandes, der durch einen synthetischen | ||||||
26 | Begriff a priori gedacht worden, hernehmen, wenn es nicht von der Synthesis | ||||||
27 | geschieht, welche die Form der empirischen Erkenntniß der Objecte | ||||||
28 | ausmacht? Daß in einem solchen Begriffe kein Widerspruch enthalten sein | ||||||
29 | müsse, ist zwar eine nothwendige logische Bedingung; aber zur objectiven | ||||||
30 | Realität des Begriffs, d. i. der Möglichkeit eines solchen Gegenstandes, | ||||||
31 | als durch den Begriff gedacht wird, bei weitem nicht genug. So ist in dem | ||||||
32 | Begriffe einer Figur, die in zwei geraden Linien eingeschlossen ist, kein | ||||||
33 | Widerspruch, denn die Begriffe von zwei geraden Linien und deren Zusammenstoßung | ||||||
34 | enthalten keine Verneinung einer Figur; sondern die Unmöglichkeit | ||||||
35 | beruht nicht auf dem Begriffe an sich selbst, sondern der Construction | ||||||
36 | desselben im Raume, d. i. den Bedingungen des Raumes und | ||||||
37 | der Bestimmung desselben; diese haben aber wiederum ihre objective Realität, | ||||||
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