| Kant: AA IV, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 106 | |||||||
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| 01 | gehören also nicht in unser abgestochenes Feld der Untersuchung. Eben | ||||||
| 02 | so machen die mathematischen Grundsätze keinen Theil dieses Systems aus, | ||||||
| 03 | weil sie nur aus der Anschauung, aber nicht aus dem reinen Verstandesbegriffe | ||||||
| 04 | gezogen sind; doch wird die Möglichkeit derselben, weil sie gleichwohl | ||||||
| 05 | synthetische Urtheile a priori sind, hier nothwendig Platz finden, zwar | ||||||
| 06 | nicht, um ihre Richtigkeit und apodiktische Gewißheit zu beweisen, welches | ||||||
| 07 | sie gar nicht nöthig haben, sondern nur die Möglichkeit solcher evidenten | ||||||
| 08 | Erkenntnisse a priori begreiflich zu machen und zu deduciren. | ||||||
| 09 | Wir werden aber auch von dem Grundsatze analytischer Urtheile reden | ||||||
| 10 | müssen und dieses zwar im Gegensatz mit dem der synthetischen, als mit | ||||||
| 11 | welchen wir uns eigentlich beschäftigen, weil eben diese Gegenstellung die | ||||||
| 12 | Theorie der letzteren von allem Mißverstande befreiet und sie in ihrer | ||||||
| 13 | eigenthümlichen Natur deutlich vor Augen legt. | ||||||
| 14 | Des | ||||||
| 15 | Systems der Grundsätze des reinen Verstandes | ||||||
| 16 | Erster Abschnitt. | ||||||
| 17 | Von dem obersten Grundsatze aller analytischen Urtheile. | ||||||
| 18 | Von welchem Inhalt auch unsere Erkenntniß sei, und wie sie sich auf | ||||||
| 19 | das Object beziehen mag, so ist doch die allgemeine, obzwar nur negative | ||||||
| 20 | Bedingung aller unserer Urtheile überhaupt, daß sie sich nicht selbst widersprechen, | ||||||
| 21 | widrigenfalls diese Urtheile an sich selbst (auch ohne Rücksicht | ||||||
| 22 | aufs Object) nichts sind. Wenn aber auch gleich in unserm Urtheile kein | ||||||
| 23 | Widerspruch ist, so kann es demungeachtet doch Begriffe so verbinden, wie | ||||||
| 24 | es der Gegenstand nicht mit sich bringt, oder auch ohne daß uns irgend | ||||||
| 25 | ein Grund weder a priori noch a posteriori gegeben ist, welcher ein solches | ||||||
| 26 | Urtheil berechtigte; und so kann ein Urtheil bei allem dem, daß es von | ||||||
| 27 | allem innern Widerspruche frei ist, doch entweder falsch oder grundlos sein. | ||||||
| 28 | Der Satz nun: Keinem Dinge kommt ein Prädicat zu, welches ihm | ||||||
| 29 | widerspricht, heißt der Satz des Widerspruchs und ist ein allgemeines, obzwar | ||||||
| 30 | blos negatives Kriterium aller Wahrheit, gehört aber auch darum | ||||||
| 31 | blos in die Logik, weil er von Erkenntnissen blos als Erkenntnissen überhaupt | ||||||
| 32 | unangesehen ihres Inhalts gilt und sagt, daß der Widerspruch sie | ||||||
| 33 | gänzlich vernichte und aufhebe. | ||||||
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