| Kant: AA IV, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 098 | |||||||
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| 01 | mithin als Doctrin scheint Philosophie gar nicht nöthig, oder vielmehr | ||||||
| 02 | übel angebracht zu sein, weil man nach allen bisherigen Versuchen damit | ||||||
| 03 | doch wenig oder gar kein Land gewonnen hat; sondern als Kritik, um die | ||||||
| 04 | Fehltritte der Urtheilskraft ( lapsus iudicii ) im Gebrauch der wenigen reinen | ||||||
| 05 | Verstandesbegriffe, die wir haben, zu verhüten, dazu (obgleich der | ||||||
| 06 | Nutzen alsdann nur negativ ist) wird Philosophie mit ihrer ganzen | ||||||
| 07 | Scharfsinnigkeit und Prüfungskunst aufgeboten. | ||||||
| 08 | Es hat aber die Transscendental=Philosophie das Eigenthümliche: | ||||||
| 09 | daß sie außer der Regel (oder vielmehr der allgemeinen Bedingung zu | ||||||
| 10 | Regeln), die in dem reinen Begriffe des Verstandes gegeben wird, zugleich | ||||||
| 11 | a priori den Fall anzeigen kann, worauf sie angewandt werden sollen. | ||||||
| 12 | Die Ursache von dem Vorzuge, den sie in diesem Stücke vor allen andern | ||||||
| 13 | belehrenden Wissenschaften hat (außer der Mathematik), liegt eben darin: | ||||||
| 14 | daß sie von Begriffen handelt, die sich auf ihre Gegenstände a priori beziehen | ||||||
| 15 | sollen; mithin kann ihre objective Gültigkeit nicht a posteriori dargethan | ||||||
| 16 | werden, denn das würde jene Dignität derselben ganz unberührt | ||||||
| 17 | lassen; sondern sie muß zugleich die Bedingungen, unter welchen Gegenstände | ||||||
| 18 | in Übereinstimmung mit jenen Begriffen gegeben werden können, | ||||||
| 19 | in allgemeinen, aber hinreichenden Kennzeichen darlegen, widrigenfalls | ||||||
| 20 | sie ohne allen Inhalt, mithin bloße logische Formen und nicht reine Verstandesbegriffe | ||||||
| 21 | sein würden. | ||||||
| 22 | Diese transscendentale Doctrin der Urtheilskraft wird nun | ||||||
| 23 | zwei Hauptstücke enthalten: das erste, welches von der sinnlichen Bedingung | ||||||
| 24 | handelt, unter welcher reine Verstandesbegriffe allein gebraucht | ||||||
| 25 | werden können, d. i. von dem Schematismus des reinen Verstandes; das | ||||||
| 26 | zweite aber von den synthetischen Urtheilen, welche aus reinen Verstandesbegriffen | ||||||
| 27 | unter diesen Bedingungen a priori herfließen und allen übrigen | ||||||
| 28 | Erkenntnissen a priori zum Grunde liegen, d. i. von den Grundsätzen des | ||||||
| 29 | reinen Verstandes. | ||||||
| 30 | Der | ||||||
| 31 | Transscendentalen Doctrin der Urtheilskraft | ||||||
| 32 | (oder Analytik der Grundsätze) | ||||||
| 33 | Erstes Hauptstück. | ||||||
| 34 | Von dem Schematismus der reinen Verstandesbegriffe. | ||||||
| 35 | In allen Subsumtionen eines Gegenstandes unter einen Begriff | ||||||
| 36 | muß die Vorstellung des ersteren mit dem letztern gleichartig sein, d. i. | ||||||
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