| Kant: AA IV, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 099 | |||||||
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| 01 | der Begriff muß dasjenige enthalten, was in dem darunter zu subsumirenden | ||||||
| 02 | Gegenstande vorgestellt wird, denn das bedeutet eben der Ausdruck: | ||||||
| 03 | ein Gegenstand sei unter einem Begriffe enthalten. So hat der empirische | ||||||
| 04 | Begriff eines Tellers mit dem reinen geometrischen eines Cirkels | ||||||
| 05 | Gleichartigkeit, indem die Rundung, die in dem ersteren gedacht wird, | ||||||
| 06 | sich im letzteren anschauen läßt. | ||||||
| 07 | Nun sind aber reine Verstandesbegriffe in Vergleichung mit empirischen | ||||||
| 08 | (ja überhaupt sinnlichen) Anschauungen ganz ungleichartig | ||||||
| 09 | und können niemals in irgend einer Anschauung angetroffen werden. Wie | ||||||
| 10 | ist nun die Subsumtion der letzteren unter die erste, mithin die Anwendung | ||||||
| 11 | der Kategorie auf Erscheinungen möglich, da doch niemand sagen | ||||||
| 12 | wird: diese, z. B. die Causalität, könne auch durch Sinne angeschauet | ||||||
| 13 | werden und sei in der Erscheinung enthalten? Diese so natürliche und | ||||||
| 14 | erhebliche Frage ist nun eigentlich die Ursache, welche eine transscendentale | ||||||
| 15 | Doctrin der Urtheilskraft nothwendig macht, um nämlich die Möglichkeit | ||||||
| 16 | zu zeigen: wie reine Verstandesbegriffe auf Erscheinungen | ||||||
| 17 | überhaupt angewandt werden können. In allen anderen Wissenschaften, | ||||||
| 18 | wo die Begriffe, durch die der Gegenstand allgemein gedacht wird, von | ||||||
| 19 | denen, die diesen in concreto vorstellen, wie er gegeben wird, nicht so unterschieden | ||||||
| 20 | und heterogen sind, ist es unnöthig, wegen der Anwendung | ||||||
| 21 | des ersteren auf den letzten besondere Erörterung zu geben. | ||||||
| 22 | Nun ist klar, daß es ein Drittes geben müsse, was einerseits mit der | ||||||
| 23 | Kategorie, andererseits mit der Erscheinung in Gleichartigkeit stehen mu | ||||||
| 24 | und die Anwendung der ersteren auf die letzte möglich macht. Diese vermittelnde | ||||||
| 25 | Vorstellung muß rein (ohne alles Empirische) und doch einerseits | ||||||
| 26 | intellectuell, andererseits sinnlich sein. Eine solche ist das | ||||||
| 27 | transscendentale Schema. | ||||||
| 28 | Der Verstandesbegriff enthält reine synthetische Einheit des Mannigfaltigen | ||||||
| 29 | überhaupt. Die Zeit als die formale Bedingung des Mannigfaltigen | ||||||
| 30 | des inneren Sinnes, mithin der Verknüpfung aller Vorstellungen | ||||||
| 31 | enthält ein Mannigfaltiges a priori in der reinen Anschauung. Nun ist | ||||||
| 32 | eine transscendentale Zeitbestimmung mit der Kategorie (die die Einheit | ||||||
| 33 | derselben ausmacht) sofern gleichartig, als sie allgemein ist und auf | ||||||
| 34 | einer Regel a priori beruht. Sie ist aber andererseits mit der Erscheinung | ||||||
| 35 | so fern gleichartig, als die Zeit in jeder empirischen Vorstellung des | ||||||
| 36 | Mannigfaltigen enthalten ist. Daher wird eine Anwendung der Kategorie | ||||||
| 37 | auf Erscheinungen möglich sein vermittelst der transscendentalen Zeitbestimmung, | ||||||
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