Kant: AA IV, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 084 |
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| 01 | Grund der Einheit, so würde es möglich sein, daß ein Gewühl von Erscheinungen | ||||||
| 02 | unsere Seele anfüllte, ohne daß doch daraus jemals Erfahrung | ||||||
| 03 | werden könnte. Alsdann fiele aber auch alle Beziehung der Erkenntniß | ||||||
| 04 | auf Gegenstände weg, weil ihr die Verknüpfung nach allgemeinen | ||||||
| 05 | und nothwendigen Gesetzen mangelte, mithin würde sie zwar gedankenlose | ||||||
| 06 | Anschauung, aber niemals Erkenntniß, also für uns so viel als gar | ||||||
| 07 | nichts sein. | ||||||
| 08 | Die Bedingungen a priori einer möglichen Erfahrung überhaupt | ||||||
| 09 | sind zugleich Bedingungen der Möglichkeit der Gegenstände der Erfahrung. | ||||||
| 10 | Nun behaupte ich: die oben angeführte Kategorien sind nichts | ||||||
| 11 | anders, als die Bedingungen des Denkens in einer möglichen | ||||||
| 12 | Erfahrung, so wie Raum und Zeit die Bedingungen der Anschauung | ||||||
| 13 | zu eben derselben enthalten. Also sind jene auch Grundbegriffe, | ||||||
| 14 | Objecte überhaupt zu den Erscheinungen zu denken und haben also a priori | ||||||
| 15 | objective Gültigkeit; welches dasjenige war, was wir eigentlich wissen | ||||||
| 16 | wollten. | ||||||
| 17 | Die Möglichkeit aber, ja sogar die Nothwendigkeit dieser Kategorien | ||||||
| 18 | beruht auf der Beziehung, welche die gesammte Sinnlichkeit und mit ihr auch | ||||||
| 19 | alle mögliche Erscheinungen auf die ursprüngliche Apperception haben, in | ||||||
| 20 | welcher alles nothwendig den Bedingungen der durchgängigen Einheit des | ||||||
| 21 | Selbstbewußtseins gemäß sein, d. i. unter allgemeinen Functionen der Synthesis | ||||||
| 22 | stehen muß, nämlich der Synthesis nach Begriffen, als worin die | ||||||
| 23 | Apperception allein ihre durchgängige und nothwendige Identität a priori | ||||||
| 24 | beweisen kann. So ist der Begriff einer Ursache nichts anders, als eine | ||||||
| 25 | Synthesis (dessen, was in der Zeitreihe folgt, mit andern Erscheinungen) | ||||||
| 26 | nach Begriffen, und ohne dergleichen Einheit , die ihre Regel a priori | ||||||
| 27 | hat und die Erscheinungen sich unterwirft, würde durchgängige und allgemeine, | ||||||
| 28 | mithin nothwendige Einheit des Bewußtseins in dem Mannigfaltigen | ||||||
| 29 | der Wahrnehmungen nicht angetroffen werden. Diese würden aber | ||||||
| 30 | alsdann auch zu keiner Erfahrung gehören, folglich ohne Object und nichts | ||||||
| 31 | als ein blindes Spiel der Vorstellungen, d. i. weniger als ein Traum sein. | ||||||
| 32 | Alle Versuche, jene reine Verstandesbegriffe von der Erfahrung abzuleiten | ||||||
| 33 | und ihnen einen blos empirischen Ursprung zuzuschreiben, sind | ||||||
| 34 | also ganz eitel und vergeblich. Ich will davon nichts erwähnen, daß z. E. | ||||||
| 35 | der Begriff einer Ursache den Zug von Nothwendigkeit bei sich führt, | ||||||
| 36 | welche gar keine Erfahrung geben kann, die uns zwar lehrt, daß auf eine | ||||||
| 37 | Erscheinung gewöhnlicher Maßen etwas Andres folge, aber nicht, daß es | ||||||
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