Kant: AA IV, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 079 |
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01 | Linie, die vorhergehende Theile der Zeit oder die nach einander vorgestellte | ||||||
02 | Einheiten) immer aus den Gedanken verlieren und sie nicht reproduciren, | ||||||
03 | indem ich zu den folgenden fortgehe, so würde niemals eine ganze Vorstellung | ||||||
04 | und keiner aller vorgenannten Gedanken, ja gar nicht einmal die | ||||||
05 | reinste und erste Grundvorstellungen von Raum und Zeit entspringen | ||||||
06 | können. | ||||||
07 | Die Synthesis der Apprehension ist also mit der Synthesis der Reproduction | ||||||
08 | unzertrennlich verbunden. Und da jene den transscendentalen | ||||||
09 | Grund der Möglichkeit aller Erkenntnisse überhaupt (nicht blos der empirischen, | ||||||
10 | sondern auch der reinen a priori) ausmacht, so gehört die reproductive | ||||||
11 | Synthesis der Einbildungskraft zu den transscendentalen Handlungen | ||||||
12 | des Gemüths, und in Rücksicht auf dieselbe wollen wir dieses Vermögen | ||||||
13 | auch das transscendentale Vermögen der Einbildungskraft nennen. | ||||||
14 | 3. |
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15 | Von der Synthesis der Recognition im Begriffe. |
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16 | Ohne Bewußtsein, daß das, was wir denken, eben dasselbe sei, was | ||||||
17 | wir einen Augenblick zuvor dachten, würde alle Reproduction in der Reihe | ||||||
18 | der Vorstellungen vergeblich sein. Denn es wäre eine neue Vorstellung | ||||||
19 | im jetzigen Zustande, die zu dem Actus, wodurch sie nach und nach hat | ||||||
20 | erzeugt werden sollen, gar nicht gehörte, und das Mannigfaltige derselben | ||||||
21 | würde immer kein Ganzes ausmachen, weil es der Einheit ermangelte, | ||||||
22 | die ihm nur das Bewußtsein verschaffen kann. Vergesse ich im Zählen, | ||||||
23 | daß die Einheiten, die mir jetzt vor Sinnen schweben, nach und nach zu | ||||||
24 | einander von mir hinzugethan worden sind, so würde ich die Erzeugung | ||||||
25 | der Menge durch diese successive Hinzuthuung von Einem zu Einem, mithin | ||||||
26 | auch nicht die Zahl erkennen; denn dieser Begriff besteht lediglich in | ||||||
27 | dem Bewußtsein dieser Einheit der Synthesis. | ||||||
28 | Das Wort Begriff könnte uns schon von selbst zu dieser Bemerkung | ||||||
29 | Anleitung geben. Denn dieses eine Bewußtsein ist es, was das Mannigfaltige, | ||||||
30 | nach und nach Angeschaute und dann auch Reproducirte in eine | ||||||
31 | Vorstellung vereinigt. Dieses Bewußtsein kann oft nur schwach sein, so | ||||||
32 | daß wir es nur in der Wirkung, nicht aber in dem Actus selbst, d. i. unmittelbar, | ||||||
33 | mit der Erzeugung der Vorstellung verknüpfen: aber unerachtet | ||||||
34 | dieser Unterschiede muß doch immer ein Bewußtsein angetroffen werden, | ||||||
35 | wenn ihm gleich die hervorstechende Klarheit mangelt, und ohne dasselbe | ||||||
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