Kant: AA IV, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 076

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 mehr als das einzige Vermögen zu denken, nämlich der Verstand, beschäftigt      
  02 ist, und dieser selbst als ein Erkenntnißvermögen, das sich auf      
  03 Objecte beziehen soll, eben so wohl einer Erläuterung wegen der Möglichkeit      
  04 dieser Beziehung bedarf: so müssen wir die subjective Quellen,      
  05 welche die Grundlage a priori zu der Möglichkeit der Erfahrung ausmachen,      
  06 nicht nach ihrer empirischen, sondern transscendentalen Beschaffenheit      
  07 zuvor erwägen.      
           
  08 Wenn eine jede einzelne Vorstellung der andern ganz fremd, gleichsam      
  09 isolirt und von dieser getrennt wäre, so würde niemals so etwas, als      
  10 Erkenntniß ist, entspringen, welche ein Ganzes verglichener und verknüpfter      
  11 Vorstellungen ist. Wenn ich also dem Sinne deswegen, weil er in seiner      
  12 Anschauung Mannigfaltigkeit enthält, eine Synopsis beilege, so correspondirt      
  13 dieser jederzeit eine Synthesis, und die Receptivität kann nur mit      
  14 Spontaneität verbunden Erkenntnisse möglich machen. Diese ist nun      
  15 der Grund einer dreifachen Synthesis, die nothwendiger Weise in allem      
  16 Erkenntniß vorkommt: nämlich der Apprehension der Vorstellungen      
  17 als Modificationen des Gemüths in der Anschauung, der Reproduction      
  18 derselben in der Einbildung und ihrer Recognition im Begriffe. Diese      
  19 geben nun eine Leitung auf drei subjective Erkenntnißquellen, welche      
  20 selbst den Verstand und durch diesen alle Erfahrung als ein empirisches      
  21 Product des Verstandes möglich machen.      
           
  22
Vorläufige Erinnerung.
     
           
  23 Die Deduction der Kategorien ist mit so viel Schwierigkeiten verbunden      
  24 und nöthigt, so tief in die erste Gründe der Möglichkeit unsrer      
  25 Erkenntniß überhaupt einzudringen, daß ich, um die Weitläuftigkeit einer      
  26 vollständigen Theorie zu vermeiden und dennoch bei einer so nothwendigen      
  27 Untersuchung nichts zu versäumen, es rathsamer gefunden habe, durch      
  28 folgende vier Nummern den Leser mehr vorzubereiten als zu unterrichten      
  29 und im nächstfolgenden, dritten Abschnitte die Erörterung dieser Elemente      
  30 des Verstandes allererst systematisch vorzustellen. Um deswillen wird sich      
  31 der Leser bis dahin durch die Dunkelheit nicht abwendig machen lassen,      
  32 die auf einem Wege, der noch ganz unbetreten ist, anfänglich unvermeidlich      
  33 ist, sich aber, wie ich hoffe, in gedachtem Abschnitte zur vollständigen      
  34 Einsicht aufklären soll.      
           
           
     

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