| Kant: AA IV, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 075 | |||||||
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| 01 | Erfahrung gehört, noch aus Elementen einer möglichen Erfahrung | ||||||
| 02 | besteht, ist gänzlich widersprechend und unmöglich. Denn er würde alsdann | ||||||
| 03 | keinen Inhalt haben, darum weil ihm keine Anschauung correspondirte, | ||||||
| 04 | indem Anschauungen überhaupt, wodurch uns Gegenstände gegeben | ||||||
| 05 | werden können, das Feld oder den gesammten Gegenstand möglicher Erfahrung | ||||||
| 06 | ausmachen. Ein Begriff a priori, der sich nicht auf diese bezöge, | ||||||
| 07 | würde nur die logische Form zu einem Begriff, aber nicht der Begriff | ||||||
| 08 | selbst sein, wodurch etwas gedacht würde. | ||||||
| 09 | Wenn es also reine Begriffe a priori giebt, so können diese zwar | ||||||
| 10 | freilich nichts Empirisches enthalten: sie müssen aber gleichwohl lauter | ||||||
| 11 | Bedingungen a priori zu einer möglichen Erfahrung sein, als worauf | ||||||
| 12 | allein ihre objective Realität beruhen kann. | ||||||
| 13 | Will man daher wissen, wie reine Verstandesbegriffe möglich seien, | ||||||
| 14 | so muß man untersuchen, welches die Bedingungen a priori seien, worauf | ||||||
| 15 | die Möglichkeit der Erfahrung ankommt, und die ihr zum Grunde liegen, | ||||||
| 16 | wenn man gleich von allem Empirischen der Erscheinungen abstrahirt. | ||||||
| 17 | Ein Begriff, der diese formale und objective Bedingung der Erfahrung | ||||||
| 18 | allgemein und zureichend ausdrückt, würde ein reiner Verstandesbegriff | ||||||
| 19 | heißen. Habe ich einmal reine Verstandesbegriffe, so kann ich auch wohl | ||||||
| 20 | Gegenstände erdenken, die vielleicht unmöglich, vielleicht zwar an sich möglich, | ||||||
| 21 | aber in keiner Erfahrung gegeben werden können, indem in der Verknüpfung | ||||||
| 22 | jener Begriffe etwas weggelassen sein kann, was doch zur Bedingung | ||||||
| 23 | einer möglichen Erfahrung nothwendig gehört (Begriff eines | ||||||
| 24 | Geistes), oder etwa reine Verstandesbegriffe weiter ausgedehnt werden, | ||||||
| 25 | als Erfahrung fassen kann (Begriff von Gott). Die Elemente aber zu | ||||||
| 26 | allen Erkenntnissen a priori, selbst zu willkürlichen und ungereimten Erdichtungen | ||||||
| 27 | können zwar nicht von der Erfahrung entlehnt sein (denn sonst | ||||||
| 28 | wären sie nicht Erkenntnisse a priori); sie müssen aber jederzeit die reine Bedingungen | ||||||
| 29 | a priori einer möglichen Erfahrung und eines Gegenstandes | ||||||
| 30 | derselben enthalten, denn sonst würde nicht allein durch sie gar nichts gedacht | ||||||
| 31 | werden, sondern sie selber würden ohne Data auch nicht einmal im | ||||||
| 32 | Denken entstehen können. | ||||||
| 33 | Diese Begriffe nun, welche a priori das reine Denken bei jeder Erfahrung | ||||||
| 34 | enthalten, finden wir an den Kategorien; und es ist schon eine | ||||||
| 35 | hinreichende Deduction derselben und Rechtfertigung ihrer objectiven | ||||||
| 36 | Gültigkeit, wenn wir beweisen können, daß vermittelst ihrer allein ein | ||||||
| 37 | Gegenstand gedacht werden kann. Weil aber in einem solchen Gedanken | ||||||
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