| Kant: AA IV, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 024 | |||||||
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| 01 | II | ||||||
| 02 | Eintheilung der Transscendental=Philosophie. | ||||||
| 03 | Die Transscendental=Philosophie ist hier nur eine Idee, wozu die | ||||||
| 04 | Kritik der reinen Vernunft den ganzen Plan architektonisch, d. i. aus | ||||||
| 05 | Principien, entwerfen soll, mit völliger Gewährleistung der Vollständigkeit | ||||||
| 06 | und Sicherheit aller Stücke, die dieses Gebäude ausmachen. Da | ||||||
| 07 | diese Kritik nicht schon selbst Transscendental=Philosophie heißt, beruht | ||||||
| 08 | lediglich darauf, daß sie, um ein vollständig System zu sein, auch eine ausführliche | ||||||
| 09 | Analysis der ganzen menschlichen Erkenntniß a priori enthalten | ||||||
| 10 | müßte. Nun muß zwar unsre Kritik allerdings auch eine vollständige Herzählung | ||||||
| 11 | aller Stammbegriffe, welche die gedachte reine Erkenntniß ausmachen, | ||||||
| 12 | vor Augen legen. Allein der ausführlichen Analysis dieser Begriffe selbst, | ||||||
| 13 | wie auch der vollständigen Recension der daraus abgeleiteten enthält sie | ||||||
| 14 | sich billig, theils weil diese Zergliederung nicht zweckmäßig wäre, indem | ||||||
| 15 | sie die Bedenklichkeit nicht hat, welche bei der Synthesis angetroffen wird, | ||||||
| 16 | um deren willen eigentlich die ganze Kritik da ist, theils weil es der Einheit | ||||||
| 17 | des Plans zuwider wäre, sich mit der Verantwortung der Vollständigkeit | ||||||
| 18 | einer solchen Analysis und Ableitung zu befassen, deren man in | ||||||
| 19 | Ansehung seiner Absicht doch überhoben sein konnte. Diese Vollständigkeit | ||||||
| 20 | der Zergliederung sowohl, als der Ableitung aus den künftig zu liefernden | ||||||
| 21 | Begriffen a priori ist indessen leicht zu ergänzen, wenn sie nur allererst | ||||||
| 22 | als ausführliche Principien der Synthesis da sind, und ihnen in Ansehung | ||||||
| 23 | dieser wesentlichen Absicht nichts ermangelt. | ||||||
| 24 | Zur Kritik der reinen Vernunft gehört demnach alles, was die Transscendental | ||||||
| 25 | Philosophie ausmacht, und sie ist die vollständige Idee der | ||||||
| 26 | Transscendental=Philosophie, aber diese Wissenschaft noch nicht selbst, weil | ||||||
| 27 | sie in der Analysis nur so weit geht, als es zur vollständigen Beurtheilung | ||||||
| 28 | der synthetischen Erkenntniß a priori erforderlich ist. | ||||||
| 29 | Das vornehmste Augenmerk bei der Eintheilung einer solchen Wissenschaft | ||||||
| 30 | ist: daß gar keine Begriffe hineinkommen müssen, die irgend etwas | ||||||
| 31 | Empirisches in sich enthalten, oder daß die Erkenntniß a priori völlig rein | ||||||
| 32 | sei. Daher obzwar die obersten Grundsätze der Moralität und die Grundbegriffe | ||||||
| 33 | derselben Erkenntnisse a priori sind, so gehören sie doch nicht in | ||||||
| 34 | die Transscendental=Philosophie, weil die Begriffe der Lust und Unlust, | ||||||
| 35 | der Begierden und Neigungen, der Willkür etc., die insgesammt empirischen | ||||||
| 36 | Ursprunges sind, dabei vorausgesetzt werden müßten. Daher ist die | ||||||
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