Kant: AA IV, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 023

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 ob auch überhaupt eine solche Erweiterung unserer Erkenntniß und in      
  02 welchen Fällen sie möglich sei: so können wir eine Wissenschaft der bloßen      
  03 Beurtheilung der reinen Vernunft, ihrer Quellen und Grenzen als die      
  04 Propädeutik zum System der reinen Vernunft ansehen. Eine solche würde      
  05 nicht eine Doctrin, sondern nur Kritik der reinen Vernunft heißen müssen,      
  06 und ihr Nutze würde wirklich nur negativ sein, nicht zur Erweiterung,      
  07 sondern nur zur Läuterung unserer Vernunft dienen und sie von Irrthümern      
  08 frei halten, welches schon sehr viel gewonnen ist. Ich nenne alle Erkenntniß      
  09 transscendental, die sich nicht sowohl mit Gegenständen, sondern      
  10 mit unsern Begriffen a priori von Gegenständen überhaupt beschäftigt.      
  11 Ein System solcher Begriffe würde Transscendental=Philosophie      
  12 heißen. Diese ist aber wiederum für den Anfang zu viel. Denn weil eine      
  13 solche Wissenschaft sowohl die analytische Erkenntniß, als die synthetische      
  14 a priori vollständig enthalten müßte, so ist sie, in so fern es unsre Absicht      
  15 betrifft, von zu weitem Umfange, indem wir die Analysis nur so weit      
  16 treiben dürfen, als sie unentbehrlich nöthig ist, um die Principien der      
  17 Synthesis a priori, als warum es uns nur zu thun ist, in ihrem ganzen      
  18 Umfange einzusehen. Diese Untersuchung, die wir eigentlich nicht Doctrin,      
  19 sondern nur transscendentale Kritik nennen können, weil sie nicht die Erweiterung      
  20 der Erkenntnisse selbst, sondern nur die Berichtigung derselben      
  21 zur Absicht hat und den Probirstein des Werths oder Unwerths aller Erkenntnisse      
  22 a priori abgeben soll, ist das, womit wir uns jetzt beschäftigen.      
  23 Eine solche Kritik ist demnach eine Vorbereitung wo möglich zu einem      
  24 Organon, und wenn dieses nicht gelingen sollte, wenigstens zu einem      
  25 Kanon derselben, nach welchem allenfalls dereinst das vollständige System      
  26 der Philosophie der reinen Vernunft, es mag nun in Erweiterung oder      
  27 bloßer Begrenzung ihrer Erkenntniß bestehen, sowohl analytisch, als synthetisch      
  28 dargestellt werden könne. Denn daß dieses möglich sei, ja daß      
  29 ein solches System von nicht gar großem Umfange sein könne, um zu      
  30 hoffen, es ganz zu vollenden, läßt sich schon zum voraus daraus ermessen,      
  31 daß hier nicht die Natur der Dinge, welche unerschöpflich ist, sondern der      
  32 Verstand, der über die Natur der Dinge urtheilt, und auch dieser      
  33 wiederum nur in Ansehung seiner Erkenntniß a priori den Gegenstand      
  34 ausmacht, dessen Vorrath, weil wir ihn doch nicht auswärtig suchen dürfen,      
  35 uns nicht verborgen bleiben kann und allem Vermuthen nach klein genug      
  36 ist, um vollständig aufgenommen, nach seinem Werthe oder Unwerthe beurtheilt      
  37 und unter richtige Schätzung gebracht zu werden.      
           
           
     

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