Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 542

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 (es sei denn historisch), sondern, was die Vernunft betrifft, höchstens      
  02 nur philosophiren lernen.      
           
  03 Das System aller philosophischen Erkenntniß ist nur Philosophie.      
  04 Man muß sie objectiv nehmen, wenn man darunter das Urbild der Beurtheilung      
  05 aller Versuche zu philosophiren versteht, welche jede subjective      
  06 Philosophie zu beurtheilen dienen soll, deren Gebäude oft so mannigfaltig      
  07 und so veränderlich ist. Auf diese Weise ist Philosophie eine bloße Idee      
  08 von einer möglichen Wissenschaft, die nirgend in concreto gegeben ist,      
  09 welcher man sich aber auf mancherlei Wegen zu nähern sucht, so lange bis      
  10 der einzige, sehr durch Sinnlichkeit verwachsene Fußsteig entdeckt wird,      
  11 und das bisher verfehlte Nachbild, so weit als es Menschen vergönnt ist,      
  12 dem Urbilde gleich zu machen gelingt. Bis dahin kann man keine Philosophie      
  13 lernen; denn wo ist sie, wer hat sie im Besitze, und woran läßt sie      
  14 sich erkennen? Man kann nur philosophiren lernen, d. i. das Talent der      
  15 Vernunft in der Befolgung ihrer allgemeinen Principien an gewissen vorhandenen      
  16 Versuchen üben, doch immer mit Vorbehalt des Rechts der Vernunft,      
  17 jene selbst in ihren Quellen zu untersuchen und zu bestätigen, oder      
  18 zu verwerfen.      
           
  19 Bis dahin ist aber der Begriff von Philosophie nur ein Schulbegriff,      
  20 nämlich von einem System der Erkenntniß, die nur als Wissenschaft      
  21 gesucht wird, ohne etwas mehr als die systematische Einheit dieses      
  22 Wissens, mithin die logische Vollkommenheit der Erkenntniß zum Zwecke      
  23 zu haben. Es giebt aber noch einen Weltbegriff ( conceptus cosmicus ),      
  24 der dieser Benennung jederzeit zum Grunde gelegen hat, vornehmlich wenn      
  25 man ihn gleichsam personificirte und in dem Ideal des Philosophen sich      
  26 als ein Urbild vorstellte. In dieser Absicht ist Philosophie die Wissenschaft      
  27 von der Beziehung aller Erkenntniß auf die wesentlichen Zwecke der      
  28 menschlichen Vernunft ( teleologia rationis humanae ), und der Philosoph      
  29 ist nicht ein Vernunftkünstler, sondern der Gesetzgeber der menschlichen      
  30 Vernunft. In solcher Bedeutung wäre es sehr ruhmredig, sich selbst einen      
  31 Philosophen zu nennen und sich anzumaßen, dem Urbilde, das nur in der      
  32 Idee liegt, gleichgekommen zu sein.      
           
  33 Der Mathematiker, der Naturkündiger, der Logiker sind, so vortrefflich      
  34 die ersteren auch überhaupt im Vernunfterkenntnisse, die zweiten besonders      
  35 im philosophischen Erkenntnisse Fortgang haben mögen, doch nur      
  36 Vernunftkünstler. Es giebt noch einen Lehrer im Ideal, der alle diese ansetzt,      
  37 sie als Werkzeuge nutzt, um die wesentlichen Zwecke der menschlichen      
           
     

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