Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 481 |
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01 | sind, welches die philosophischen Grundsätze bei aller ihrer Gewißheit | ||||||
02 | doch niemals vorgeben können, so fehlt unendlich viel daran, daß irgend | ||||||
03 | ein synthetischer Satz der reinen und transscendentalen Vernunft so augenscheinlich | ||||||
04 | sei (wie man sich trotzig auszudrücken pflegt), als der Satz: daß | ||||||
05 | zweimal zwei vier geben. Ich habe zwar in der Analytik bei der Tafel | ||||||
06 | der Grundsätze des reinen Verstandes auch gewisser Axiomen der Anschauung | ||||||
07 | gedacht; allein der daselbst angeführte Grundsatz war selbst kein | ||||||
08 | Axiom, sondern diente nur dazu, das Principium der Möglichkeit der | ||||||
09 | Axiomen überhaupt anzugeben, und ist selbst nur ein Grundsatz aus Begriffen. | ||||||
10 | Denn sogar die Möglichkeit der Mathematik muß in der Transscendentalphilosophie | ||||||
11 | gezeigt werden. Die Philosophie hat also keine | ||||||
12 | Axiomen und darf niemals ihre Grundsätze a priori so schlechthin gebieten, | ||||||
13 | sondern muß sich dazu bequemen, ihre Befugniß wegen derselben durch | ||||||
14 | gründliche Deduction zu rechtfertigen. | ||||||
15 | 3. Von den Demonstrationen.Nur ein apodiktischer Beweis, so fern | ||||||
16 | er intuitiv ist, kann Demonstration heißen. Erfahrung lehrt uns wohl, | ||||||
17 | was dasei, aber nicht, daß es gar nicht anders sein könne. Daher können | ||||||
18 | empirische Beweisgründe keinen apodiktischen Beweis verschaffen. Aus | ||||||
19 | Begriffen a priori (im discursiven Erkenntnisse) kann aber niemals anschauende | ||||||
20 | Gewißheit, d. i. Evidenz, entspringen, so sehr auch sonst das | ||||||
21 | Urtheil apodiktisch gewiß sein mag. Nur die Mathematik enthält also | ||||||
22 | Demonstrationen, weil sie nicht aus Begriffen, sondern der Construction | ||||||
23 | derselben, d. i. der Anschauung, die den Begriffen entsprechend a priori | ||||||
24 | gegeben werden kann, ihre Erkenntniß ableitet. Selbst das Verfahren der | ||||||
25 | Algeber mit ihren Gleichungen, aus denen sie durch Reduction die Wahrheit | ||||||
26 | zusammt dem Beweise hervorbringt, ist zwar keine geometrische, aber | ||||||
27 | doch charakteristische Construction, in welcher man an den Zeichen die Begriffe, | ||||||
28 | vornehmlich von dem Verhältnisse der Größen, in der Anschauung | ||||||
29 | darlegt und, ohne einmal auf das Heuristische zu sehen, alle Schlüsse vor | ||||||
30 | Fehlern dadurch sichert, daß jeder derselben vor Augen gestellt wird. Da | ||||||
31 | hingegen das philosophische Erkenntniß dieses Vortheils entbehren muß, | ||||||
32 | indem es das Allgemeine jederzeit in abstracto (durch Begriffe) betrachten | ||||||
33 | muß, indessen daß Mathematik das Allgemeine in concreto (in der einzelnen | ||||||
34 | Anschauung) und doch durch reine Vorstellung a priori erwägen | ||||||
35 | kann, wobei jeder Fehltritt sichtbar wird. Ich möchte die erstern daher | ||||||
36 | lieber akroamatische (discursive) Beweise nennen, weil sie sich nur | ||||||
37 | durch lauter Worte (den Gegenstand in Gedanken) führen lassen, als Demonstrationen, | ||||||
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