Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 479 |
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01 | Sprache hat für die Ausdrücke der Exposition, Explication, | ||||||
02 | Declaration und Definition nichts mehr als das eine Wort Erklärung; | ||||||
03 | und daher müssen wir schon von der Strenge der Forderung, da | ||||||
04 | wir nämlich den philosophischen Erklärungen den Ehrennamen der Definition | ||||||
05 | verweigerten, etwas ablassen und wollen diese ganze Anmerkung | ||||||
06 | darauf einschränken, daß philosophische Definitionen nur als Expositionen | ||||||
07 | gegebener, mathematische aber als Constructionen ursprünglich gemachter | ||||||
08 | Begriffe, jene nur analytisch durch Zergliederung (deren Vollständigkeit | ||||||
09 | nicht apodiktisch gewiß ist), diese synthetisch zu Stande gebracht werden | ||||||
10 | und also den Begriff selbst machen, dagegen die ersteren ihn nur erklären. | ||||||
11 | Hieraus folgt: | ||||||
12 | a) daß man es in der Philosophie der Mathematik nicht so nachthun | ||||||
13 | müsse, die Definitionen voranzuschicken, als nur etwa zum bloßen Versuche. | ||||||
14 | Denn da sie Zergliederungen gegebener Begriffe sind, so gehen | ||||||
15 | diese Begriffe, obzwar nur noch verworren, voran, und die unvollständige | ||||||
16 | Exposition geht vor der vollständigen, so daß wir aus einigen Merkmalen, | ||||||
17 | die wir aus einer noch unvollendeten Zergliederung gezogen haben, manches | ||||||
18 | vorher schließen können, ehe wir zur vollständigen Exposition, d. i. | ||||||
19 | zur Definition, gelangt sind; mit einem Worte, daß in der Philosophie | ||||||
20 | die Definition, als abgemessene Deutlichkeit, das Werk eher schließen als | ||||||
21 | anfangen müsse*). Dagegen haben wir in der Mathematik gar keinen | ||||||
22 | Begriff vor der Definition, als durch welche der Begriff allererst gegeben | ||||||
23 | wird, sie muß also und kann auch jederzeit davon anfangen. | ||||||
24 | b) Mathematische Definitionen können niemals irren. Denn weil | ||||||
*) Die Philosophie wimmelt von fehlerhaften Definitionen, vornehmlich solchen, die zwar wirklich Elemente zur Definition, aber noch nicht vollständig enthalten. Würde man nun eher gar nichts mit einem Begriffe anfangen können, als bis man ihn definirt hätte, so würde es gar schlecht mit allem Philosophiren stehen. Da aber, so weit die Elemente (der Zergliederung) reichen, immer ein guter und sicherer Gebrauch davon zu machen ist, so können auch mangelhafte Definitionen, d. i. Sätze, die eigentlich noch nicht Definitionen, aber übrigens wahr und also Annäherungen zu ihnen sind, sehr nützlich gebraucht werden. In der Mathematik gehört die Definition ad esse , in der Philosophie ad melius esse . Es ist schön, aber oft sehr schwer, dazu zu gelangen. Noch suchen die Juristen eine Definition zu ihrem Begriffe vom Recht. | |||||||
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