Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 475

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 werden, zwei Stücke sind: die Form der Anschauung (Raum und      
  02 Zeit), die völlig a priori erkannt und bestimmt werden kann, und die Materie      
  03 (das Physische) oder der Gehalt, welcher ein Etwas bedeutet, das im      
  04 Raume und der Zeit angetroffen wird, mithin ein Dasein enthält und der      
  05 Empfindung correspondirt. In Ansehung des letzteren, welches niemals      
  06 anders auf bestimmte Art, als empirisch gegeben werden kann, können      
  07 wir nichts a priori haben, als unbestimmte Begriffe der Synthesis möglicher      
  08 Empfindungen, so fern sie zur Einheit der Apperception (in einer      
  09 möglichen Erfahrung) gehören. In Ansehung der erstern können wir unsere      
  10 Begriffe in der Anschauung a priori bestimmen, indem wir uns im      
  11 Raume und der Zeit die Gegenstände selbst durch gleichförmige Synthesis      
  12 schaffen, indem wir sie bloß als Quanta betrachten. Jener heißt der Vernunftgebrauch      
  13 nach Begriffen, in dem wir nichts weiter thun können, als      
  14 Erscheinungen dem realen Inhalte nach unter Begriffe zu bringen, welche      
  15 darauf nicht anders als empirisch, d. i. a posteriori (aber jenen Begriffen      
  16 als Regeln einer empirischen Synthesis gemäß), können bestimmt werden;      
  17 dieser ist der Vernunftgebrauch durch Construction der Begriffe, in dem      
  18 diese, da sie schon auf eine Anschauung a priori gehen, auch eben darum      
  19 a priori und ohne alle empirische data in der reinen Anschauung bestimmt      
  20 gegeben werden können. Alles was da ist (ein Ding im Raum oder der      
  21 Zeit), zu erwägen, ob und wie fern es ein Quantum ist oder nicht, daß      
  22 ein Dasein in demselben oder Mangel vorgestellt werden müsse, wie fern      
  23 dieses Etwas (welches Raum oder Zeit erfüllt) ein erstes Substratum      
  24 oder bloße Bestimmung sei, eine Beziehung seines Daseins auf etwas Anderes      
  25 als Ursache oder Wirkung habe und endlich isolirt oder in wechselseitiger      
  26 Abhängigkeit mit andern in Ansehung des Daseins stehe, die      
  27 Möglichkeit dieses Daseins, die Wirklichkeit und Nothwendigkeit, oder die      
  28 Gegentheile derselben zu erwägen: dieses alles gehört zum Vernunfterkenntniß      
  29 aus Begriffen, welches philosophisch genannt wird. Aber      
  30 im Raume eine Anschauung a priori zu bestimmen (Gestalt), die Zeit zu      
  31 theilen (Dauer), oder bloß das Allgemeine der Synthesis von Einem und      
  32 Demselben in der Zeit und dem Raume und die daraus entspringende      
  33 Größe einer Anschauung überhaupt (Zahl) zu erkennen, das ist ein Vernunftgeschäfte      
  34 durch Construction der Begriffe und heißt mathematisch.      
           
  36 Das große Glück, welches die Vernunft vermittelst der Mathematik      
  37 macht, bringt ganz natürlicher Weise die Vermuthung zuwege, daß es,      
           
     

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