Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 446

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 sei, denken können, wofern wir es ja unternehmen, es überall als einen      
  02 besonderen Gegenstand zu denken, und nicht lieber, mit der bloßen Idee      
  03 des regulativen Princips der Vernunft zufrieden, die Vollendung aller      
  04 Bedingungen des Denkens, als überschwenglich für den menschlichen Verstand      
  05 bei Seite setzen wollen; welches aber mit der Absicht einer vollkommenen      
  06 systematischen Einheit in unserem Erkenntniß, der wenigstens die      
  07 Vernunft keine Schranken setzt, nicht zusammen bestehen kann.      
           
  08 Daher geschiehts nun, daß, wenn ich ein göttliches Wesen annehme,      
  09 ich zwar weder von der inneren Möglichkeit seiner höchsten Vollkommenheit,      
  10 noch der Nothwendigkeit seines Daseins den mindesten Begriff habe,      
  11 aber alsdann doch allen anderen Fragen, die das Zufällige betreffen, ein      
  12 Genüge thun kann und der Vernunft die vollkommenste Befriedigung in      
  13 Ansehung der nachzuforschenden größten Einheit in ihrem empirischen      
  14 Gebrauche, aber nicht in Ansehung dieser Voraussetzung selbst verschaffen      
  15 kann; welches beweiset, daß ihr speculatives Interesse, und nicht ihre Einsicht      
  16 sie berechtige, von einem Punkte, der so weit über ihrer Sphäre      
  17 liegt, auszugehen, um daraus ihre Gegenstände in einem vollständigen      
  18 Ganzen zu betrachten.      
           
  19 Hier zeigt sich nun ein Unterschied der Denkungsart bei einer und      
  20 derselben Voraussetzung, der ziemlich subtil, aber gleichwohl in der Transscendentalphilosophie      
  21 von großer Wichtigkeit ist. Ich kann genugsamen      
  22 Grund haben, etwas relativ anzunehmen ( suppositio relativa ), ohne doch      
  23 befugt zu sein, es schlechthin anzunehmen ( suppositio absoluta ). Diese      
  24 Unterscheidung trifft zu, wenn es bloß um ein regulatives Princip zu      
  25 thun ist, wovon wir zwar die Nothwendigkeit an sich selbst, aber nicht den      
  26 Quell derselben erkennen, und dazu wir einen obersten Grund bloß in der      
  27 Absicht annehmen, um desto bestimmter die Allgemeinheit des Princips      
  28 zu denken, als z. B. wenn ich mir ein Wesen als existirend denke, das      
  29 einer bloßen und zwar transscendentalen Idee correspondirt. Denn da      
  30 kann ich das Dasein dieses Dinges niemals an sich selbst annehmen, weil      
  31 keine Begriffe, dadurch ich mir irgend einen Gegenstand bestimmt denken      
  32 kann, dazu gelangen, und die Bedingungen der objectiven Gültigkeit      
  33 meiner Begriffe durch die Idee selbst ausgeschlossen sind. Die Begriffe      
  34 der Realität, der Substanz, der Causalität, selbst die der Nothwendigkeit      
  35 im Dasein haben außer dem Gebrauche, da sie die empirische Erkenntniß      
  36 eines Gegenstandes möglich machen, gar keine Bedeutung, die irgend ein      
  37 Object bestimmte. Sie können also zwar zur Erklärung der Möglichkeit      
           
     

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