Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 445

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 eben so wenig weiß, um sie zu verneinen, als wir, um sie zu bejahen!      
  02 Gleichwohl ists, um etwas anzunehmen, noch nicht genug, daß keine positive      
  03 Hinderniß dawider ist; und es kann uns nicht erlaubt sein, Gedankenwesen,      
  04 welche alle unsere Begriffe übersteigen, obgleich keinem widersprechen,      
  05 auf den bloßen Credit der ihr Geschäfte gern vollendenden speculativen      
  06 Vernunft als wirkliche und bestimmte Gegenstände einzuführen.      
  07 Also sollen sie an sich selbst nicht angenommen werden, sondern nur ihre      
  08 Realität als eines Schema des regulativen Princips der systematischen      
  09 Einheit aller Naturerkenntniß gelten, mithin sollen sie nur als Analoga      
  10 von wirklichen Dingen, aber nicht als solche an sich selbst zum Grunde gelegt      
  11 werden. Wir heben von dem Gegenstande der Idee die Bedingungen      
  12 auf, welche unseren Verstandesbegriff einschränken, die aber es auch allein      
  13 möglich machen, daß wir von irgend einem Dinge einen bestimmten Begriff      
  14 haben können. Und nun denken wir uns ein Etwas, wovon wir,      
  15 was es an sich selbst sei, gar keinen Begriff haben, aber wovon wir uns      
  16 doch ein Verhältniß zu dem Inbegriffe der Erscheinungen denken, das      
  17 demjenigen analogisch ist, welches die Erscheinungen unter einander haben.      
           
  18 Wenn wir demnach solche idealische Wesen annehmen, so erweitern      
  19 wir eigentlich nicht unsere Erkenntniß über die Objecte möglicher Erfahrung,      
  20 sondern nur die empirische Einheit der letzteren durch die systematische      
  21 Einheit, wozu uns die Idee das Schema giebt, welche mithin nicht      
  22 als constitutives, sondern bloß als regulatives Princip gilt. Denn daß      
  23 wir ein der Idee correspondirendes Ding, ein Etwas oder wirkliches Wesen,      
  24 setzen, dadurch ist nicht gesagt, wir wollten unsere Erkenntniß der      
  25 Dinge mit transscendenten Begriffen erweitern; denn dieses Wesen wird      
  26 nur in der Idee und nicht an sich selbst zum Grunde gelegt, mithin nur      
  27 um die systematische Einheit auszudrücken, die uns zur Richtschnur des      
  28 empirischen Gebrauchs der Vernunft dienen soll, ohne doch etwas darüber      
  29 auszumachen, was der Grund dieser Einheit oder die innere Eigenschaft      
  30 eines solchen Wesens sei, auf welchem als Ursache sie beruhe.      
           
  31 So ist der transscendentale und einzige bestimmte Begriff, den uns      
  32 die bloß speculative Vernunft von Gott giebt, im genauesten Verstande      
  33 deistisch: d. i. die Vernunft giebt nicht einmal die objective Gültigkeit      
  34 eines solchen Begriffs, sondern nur die Idee von Etwas an die Hand,      
  35 worauf alle empirische Realität ihre höchste und nothwendige Einheit      
  36 gründet, und welches wir uns nicht anders, als nach der Analogie einer      
  37 wirklichen Substanz, welche nach Vernunftgesetzen die Ursache aller Dinge      
           
     

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