Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 447

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 der Dinge in der Sinnenwelt, aber nicht der Möglichkeit eines Weltganzen      
  02 selbst gebraucht werden, weil dieser Erklärungsgrund außerhalb der      
  03 Welt und mithin kein Gegenstand einer möglichen Erfahrung sein müßte.      
  04 Nun kann ich gleichwohl ein solches unbegreifliches Wesen, den Gegenstand      
  05 einer bloßen Idee, relativ auf die Sinnenwelt, obgleich nicht an sich      
  06 selbst, annehmen. Denn wenn dem größtmöglichen empirischen Gebrauche      
  07 meiner Vernunft eine Idee (der systematisch vollständigen Einheit, von      
  08 der ich bald bestimmter reden werde) zum Grunde liegt, die an sich selbst      
  09 niemals adäquat in der Erfahrung kann dargestellt werden, ob sie gleich,      
  10 um die empirische Einheit dem höchstmöglichen Grade zu nähern, unumgänglich      
  11 nothwendig ist: so werde ich nicht allein befugt, sondern auch genöthigt      
  12 sein, diese Idee zu realisieren, d. i. ihr einen wirklichen Gegenstand      
  13 zu setzen, aber nur als ein Etwas überhaupt, das ich an sich selbst garnicht      
  14 kenne, und dem ich nur als einem Grunde jener systematischen Einheit in      
  15 Beziehung auf diese letztere solche Eigenschaften gebe, als den Verstandesbegriffen      
  16 im empirischen Gebrauche analogisch sind. Ich werde mir also      
  17 nach der Analogie der Realitäten in der Welt, der Substanzen, der Causalität      
  18 und der Nothwendigkeit, ein Wesen denken, das alles dieses in der      
  19 höchsten Vollkommenheit besitzt, und, indem diese Idee bloß auf meiner      
  20 Vernunft beruht, dieses Wesen als selbstständige Vernunft, was durch      
  21 Ideen der größten Harmonie und Einheit Ursache vom Weltganzen ist,      
  22 denken können, so daß ich alle die Idee einschränkende Bedingungen weglasse,      
  23 lediglich um unter dem Schutze eines solchen Urgrundes systematische      
  24 Einheit des Mannigfaltigen im Weltganzen und vermittelst derselben den      
  25 größtmöglichen empirischen Vernunftgebrauch möglich zu machen, indem      
  26 ich alle Verbindungen so ansehe, als ob sie Anordnungen einer höchsten      
  27 Vernunft wären, von der die unsrige ein schwaches Nachbild ist. Ich denke      
  28 mir alsdann dieses höchste Wesen durch lauter Begriffe, die eigentlich      
  29 nur in der Sinnenwelt ihre Anwendung haben; da ich aber auch jene      
  30 transscendentale Voraussetzung zu keinem andern als relativen Gebrauch      
  31 habe, nämlich daß sie das Substratum der größtmöglichen Erfahrungseinheit      
  32 abgeben solle, so darf ich ein Wesen, das ich von der Welt unterscheide,      
  33 ganz wohl durch Eigenschaften denken, die lediglich zur Sinnenwelt      
  34 gehören. Denn ich verlange keinesweges und bin auch nicht befugt      
  35 es zu verlangen, diesen Gegenstand meiner Idee nach dem, was er an sich      
  36 sein mag, zu erkennen; denn dazu habe ich keine Begriffe, und selbst die      
  37 Begriffe von Realität, Substanz, Causalität, ja sogar der Nothwendigkeit      
           
     

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