| Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 439 | |||||||
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| 01 | gehen, die entfernteren Theile eines für uns unbegrenzten Weltsystems, | ||||||
| 02 | das durch eine und dieselbe bewegende Kraft zusammenhängt, in ihrem | ||||||
| 03 | Laufe vereinigen. | ||||||
| 04 | Was bei diesen Principien merkwürdig ist und uns auch allein beschäftigt, | ||||||
| 05 | ist dieses: daß sie transscendental zu sein scheinen, und, ob sie | ||||||
| 06 | gleich bloße Ideen zur Befolgung des empirischen Gebrauchs der Vernunft | ||||||
| 07 | enthalten, denen der letztere nur gleichsam asymptotisch, d. i. bloß annähernd, | ||||||
| 08 | folgen kann, ohne sie jemals zu erreichen, sie gleichwohl als synthetische | ||||||
| 09 | Sätze a priori objective, aber unbestimmte Gültigkeit haben und | ||||||
| 10 | zur Regel möglicher Erfahrung dienen, auch wirklich in Bearbeitung derselben | ||||||
| 11 | als heuristische Grundsätze mit gutem Glücke gebraucht werden, ohne | ||||||
| 12 | daß man doch eine transscendentale Deduction derselben zu Stande bringen | ||||||
| 13 | kann, welches, wie oben bewiesen worden, in Ansehung der Ideen | ||||||
| 14 | jederzeit unmöglich ist. | ||||||
| 15 | Wir haben in der transscendentalen Analytik unter den Grundsätzen | ||||||
| 16 | des Verstandes die dynamische, als bloß regulative Principien der Anschauung, | ||||||
| 17 | von den mathematischen, die in Ansehung der letzteren | ||||||
| 18 | constitutiv sind, unterschieden. Diesem ungeachtet sind gedachte dynamische | ||||||
| 19 | Gesetze allerdings constitutiv in Ansehung der Erfahrung, indem | ||||||
| 20 | sie die Begriffe, ohne welche keine Erfahrung stattfindet, a priori möglich | ||||||
| 21 | machen. Principien der reinen Vernunft können dagegen nicht einmal | ||||||
| 22 | in Ansehung der empirischen Begriffe constitutiv sein, weil ihnen | ||||||
| 23 | kein correspondirendes Schema der Sinnlichkeit gegeben werden kann, und | ||||||
| 24 | sie also keinen Gegenstand in concreto haben können. Wenn ich nun von | ||||||
| 25 | einem solchen empirischen Gebrauch derselben als constitutiver Grundsätze | ||||||
| 26 | abgehe, wie will ich ihnen dennoch einen regulativen Gebrauch und mit | ||||||
| 27 | demselben einige objective Gültigkeit sichern, und was kann derselbe für | ||||||
| 28 | Bedeutung haben? | ||||||
| 29 | Der Verstand macht für die Vernunft eben so einen Gegenstand aus, | ||||||
| 30 | als die Sinnlichkeit für den Verstand. Die Einheit aller möglichen empirischen | ||||||
| 31 | Verstandeshandlungen systematisch zu machen, ist ein Geschäfte | ||||||
| 32 | der Vernunft, so wie der Verstand das Mannigfaltige der Erscheinungen | ||||||
| 33 | durch Begriffe verknüpft und unter empirische Gesetze bringt. Die Verstandeshandlungen | ||||||
| 34 | aber ohne Schemate der Sinnlichkeit sind unbestimmt; | ||||||
| 35 | eben so ist die Vernunfteinheit auch in Ansehung der Bedingungen, | ||||||
| 36 | unter denen, und des Grades, wie weit der Verstand seine Begriffe | ||||||
| 37 | systematisch verbinden soll, an sich selbst unbestimmt. Allein obgleich | ||||||
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