Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 018 |
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01 | letzteren Seite betrachtet, durch keine speculative Vernunft, (noch weniger | ||||||
02 | durch empirische Beobachtung) mithin auch nicht die Freiheit als Eigenschaft | ||||||
03 | eines Wesens, dem ich Wirkungen in der Sinnenwelt zuschreibe, erkennen | ||||||
04 | kann, darum weil ich ein solches seiner Existenz nach und doch | ||||||
05 | nicht in der Zeit bestimmt erkennen müßte (welches, weil ich meinem Begriffe | ||||||
06 | keine Anschauung unterlegen kann, unmöglich ist): so kann ich mir | ||||||
07 | doch die Freiheit denken, d. i. die Vorstellung davon enthält wenigstens | ||||||
08 | keinen Widerspruch in sich, wenn unsere kritische Unterscheidung beider | ||||||
09 | (der sinnlichen und intellectuellen) Vorstellungsarten und die davon herrührende | ||||||
10 | Einschränkung der reinen Verstandesbegriffe, mithin auch der | ||||||
11 | aus ihnen fließenden Grundsätze statt hat. Gesetzt nun, die Moral setze | ||||||
12 | nothwendig Freiheit (im strengsten Sinne) als Eigenschaft unseres Willens | ||||||
13 | voraus, indem sie praktische in unserer Vernunft liegende, ursprüngliche | ||||||
14 | Grundsätze als Data derselben a priori anführt, die ohne Voraussetzung | ||||||
15 | der Freiheit schlechterdings unmöglich wären, die speculative Vernunft | ||||||
16 | aber hätte bewiesen, daß diese sich gar nicht denken lasse: so muß nothwendig | ||||||
17 | jene Voraussetzung, nämlich die moralische, derjenigen weichen, | ||||||
18 | deren Gegentheil einen offenbaren Widerspruch enthält, folglich Freiheit | ||||||
19 | und mit ihr Sittlichkeit (denn deren Gegentheil enthält keinen Widerspruch, | ||||||
20 | wenn nicht schon Freiheit vorausgesetzt wird) dem Naturmechanism | ||||||
21 | den Platz einräumen. So aber, da ich zur Moral nichts | ||||||
22 | weiter brauche, als daß Freiheit sich nur nicht selbst widerspreche und sich | ||||||
23 | also doch wenigstens denken lasse, ohne nöthig zu haben sie weiter einzusehen, | ||||||
24 | daß sie also dem Naturmechanism eben derselben Handlung (in | ||||||
25 | anderer Beziehung genommen) gar kein Hinderniß in den Weg lege: so | ||||||
26 | behauptet die Lehre der Sittlichkeit ihren Platz und die Naturlehre auch | ||||||
27 | den ihrigen, welches aber nicht statt gefunden hätte, wenn nicht Kritik | ||||||
28 | uns zuvor von unserer unvermeidlichen Unwissenheit in Ansehung der | ||||||
29 | Dinge an sich selbst belehrt und alles, was wir theoretisch erkennen | ||||||
30 | können, auf bloße Erscheinungen eingeschränkt hätte. Eben diese Erörterung | ||||||
31 | des positiven Nutzens kritischer Grundsätze der reinen Vernunft | ||||||
32 | läßt sich in Ansehung des Begriffs von Gott und der einfachen Natur | ||||||
33 | unserer Seele zeigen, die ich aber der Kürze halber vorbeigehe. Ich kann | ||||||
34 | also Gott, Freiheit und Unsterblichkeit zum Behuf des nothwendigen | ||||||
35 | praktischen Gebrauchs meiner Vernunft nicht einmal annehmen, wenn | ||||||
36 | ich nicht der speculativen Vernunft zugleich ihre Anmaßung überschwenglicher | ||||||
37 | Einsichten benehme, weil sie sich, um zu diesen zu gelangen, solcher | ||||||
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