Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 017

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 aller nur möglichen speculativen Erkenntniß der Vernunft auf      
  02 bloße Gegenstände der Erfahrung folgt. Gleichwohl wird, welches wohl      
  03 gemerkt werden muß, doch dabei immer vorbehalten, daß wir eben dieselben      
  04 Gegenstände auch als Dinge an sich selbst, wenn gleich nicht erkennen,      
  05 doch wenigstens müssen denken können.*) Denn sonst würde      
  06 der ungereimte Satz daraus folgen, daß Erscheinung ohne etwas wäre,      
  07 was da erscheint. Nun wollen wir annehmen, die durch unsere Kritik nothwendiggemachte      
  08 Unterscheidung der Dinge als Gegenstände der Erfahrung      
  09 von eben denselben als Dingen an sich selbst wäre gar nicht gemacht, so      
  10 müßte der Grundsatz der Causalität und mithin der Naturmechanism in      
  11 Bestimmung derselben durchaus von allen Dingen überhaupt als wirkenden      
  12 Ursachen gelten. Von eben demselben Wesen also, z. B. der menschlichen      
  13 Seele, würde ich nicht sagen können, ihr Wille sei frei, und er sei      
  14 doch zugleich der Naturnothwendigkeit unterworfen, d. i. nicht frei, ohne      
  15 in einen offenbaren Widerspruch zu gerathen, weil ich die Seele in beiden      
  16 Sätzen in eben derselben Bedeutung, nämlich als Ding überhaupt      
  17 (als Sache an sich selbst), genommen habe und ohne vorhergehende Kritik      
  18 auch nicht anders nehmen konnte. Wenn aber die Kritik nicht geirrt hat,      
  19 da sie das Object in zweierlei Bedeutung nehmen lehrt, nämlich als      
  20 Erscheinung oder als Ding an sich selbst; wenn die Deduction ihrer Verstandesbegriffe      
  21 richtig ist, mithin auch der Grundsatz der Causalität nur      
  22 auf Dinge im ersten Sinne genommen, nämlich so fern sie Gegenstände      
  23 der Erfahrung sind, geht, eben dieselbe aber nach der zweiten Bedeutung      
  24 ihm nicht unterworfen sind: so wird eben derselbe Wille in der Erscheinung      
  25 (den sichtbaren Handlungen) als dem Naturgesetze nothwendig gemäß und      
  26 so fern nicht frei und doch andererseits als einem Dinge an sich selbst      
  27 angehörig jenem nicht unterworfen, mithin als frei gedacht, ohne daß      
  28 hiebei ein Widerspruch vorgeht. Ob ich nun gleich meine Seele, von der      
           
    *) Einen Gegenstand erkennen, dazu wird erfordert, daß ich seine Möglichkeit (es sei nach dem Zeugniß der Erfahrung aus seiner Wirklichkeit, oder a priori durch Vernunft) beweisen könne. Aber denken kann ich, was ich will, wenn ich mir nur nicht selbst widerspreche, d. i. wenn mein Begriff nur ein möglicher Gedanke ist, ob ich zwar dafür nicht stehen kann, ob im Inbegriffe aller Möglichkeiten diesem auch ein Object correspondire oder nicht. Um einem solchen Begriffe aber objective Gültigkeit (reale Möglichkeit, denn die erstere war bloß die logische) beizulegen, dazu wird etwas mehr erfordert. Dieses Mehrere aber braucht eben nicht in theoretischen Erkenntnißquellen gesucht zu werden, es kann auch in praktischen liegen.      
           
     

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