Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 019 |
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01 | Grundsätze bedienen muß, die, indem sie in der That bloß auf Gegenstände | ||||||
02 | möglicher Erfahrung reichen, wenn sie gleichwohl auf das angewandt | ||||||
03 | werden, was nicht ein Gegenstand der Erfahrung sein kann, wirklich | ||||||
04 | dieses jederzeit in Erscheinung verwandeln und so alle praktische | ||||||
05 | Erweiterung der reinen Vernunft für unmöglich erklären. Ich mußte | ||||||
06 | also das Wissen aufheben, um zum Glauben Platz zu bekommen, und | ||||||
07 | der Dogmatism der Metaphysik, d. i. das Vorurtheil, in ihr ohne Kritik | ||||||
08 | der reinen Vernunft fortzukommen, ist die wahre Quelle alles der Moralität | ||||||
09 | widerstreitenden Unglaubens, der jederzeit gar sehr dogmatisch ist. | ||||||
10 | Wenn es also mit einer nach Maßgabe der Kritik der reinen Vernunft abgefaßten | ||||||
11 | systematischen Metaphysik eben nicht schwer sein kann, der Nachkommenschaft | ||||||
12 | ein Vermächtniß zu hinterlassen, so ist dies kein für gering | ||||||
13 | zu achtendes Geschenk; man mag nun bloß auf die Cultur der Vernunft | ||||||
14 | durch den sicheren Gang einer Wissenschaft überhaupt in Vergleichung mit | ||||||
15 | dem grundlosen Tappen und leichtsinnigen Herumstreifen derselben ohne | ||||||
16 | Kritik sehen, oder auch auf bessere Zeitanwendung einer wißbegierigen | ||||||
17 | Jugend, die beim gewöhnlichen Dogmatism so frühe und so viel Aufmunterung | ||||||
18 | bekommt, über Dinge, davon sie nichts versteht, und darin sie | ||||||
19 | so wie niemand in der Welt auch nie etwas einsehen wird, bequem zu vernünfteln, | ||||||
20 | oder gar auf Erfindung neuer Gedanken und Meinungen auszugehen | ||||||
21 | und so die Erlernung gründlicher Wissenschaften zu verabsäumen; | ||||||
22 | am meisten aber, wenn man den unschätzbaren Vortheil in Anschlag bringt, | ||||||
23 | allen Einwürfen wider Sittlichkeit und Religion auf sokratische Art, | ||||||
24 | nämlich durch den klärsten Beweis der Unwissenheit der Gegner, auf alle | ||||||
25 | künftige Zeit ein Ende zu machen. Denn irgend eine Metaphysik ist immer | ||||||
26 | in der Welt gewesen und wird auch wohl ferner, mit ihr aber auch eine | ||||||
27 | Dialektik der reinen Vernunft, weil sie ihr natürlich ist, darin anzutreffen | ||||||
28 | sein. Es ist also die erste und wichtigste Angelegenheit der Philosophie, | ||||||
29 | einmal für allemal ihr dadurch, daß man die Quelle der Irrthümer verstopft, | ||||||
30 | allen nachtheiligen Einfluß zu benehmen. | ||||||
31 | Bei dieser wichtigen Veränderung im Felde der Wissenschaften und | ||||||
32 | dem Verluste, den speculative Vernunft an ihrem bisher eingebildeten | ||||||
33 | Besitze erleiden muß, bleibt dennoch alles mit der allgemeinen menschlichen | ||||||
34 | Angelegenheit und dem Nutzen, den die Welt bisher aus den Lehren der | ||||||
35 | reinen Vernunft zog, in demselben vortheilhaften Zustande, als es jemals | ||||||
36 | war, und der Verlust trifft nur das Monopol der Schulen, keinesweges | ||||||
37 | aber das Interesse der Menschen. Ich frage den unbiegsamsten Dogmatiker, | ||||||
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