Kant: AA II, Von den verschiedenen Racen ... , Seite 431 |
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| 01 | Beschaffenheit des Bodens (Feuchtigkeit oder Trockenheit), imgleichen der | ||||||
| 02 | Nahrung nach und nach einen erblichen Unterschied oder Schlag unter | ||||||
| 03 | Thiere einerlei Stammes und Race vornehmlich in Ansehung der Größe, | ||||||
| 04 | der Proportion der Gliedmaßen (plump oder geschlank), ingleichen des | ||||||
| 05 | Naturells, der zwar in der Vermischung mit fremden halbschlächtig anartet, | ||||||
| 06 | aber auf einem andern Boden und bei anderer Nahrung (selbst ohne | ||||||
| 07 | Veränderung des Klima) in wenig Zeugungen verschwindet. Es ist angenehm, | ||||||
| 08 | den verschiedenen Schlag der Menschen nach Verschiedenheit | ||||||
| 09 | dieser Ursachen zu bemerken, wo er in eben demselben Lande blos nach den | ||||||
| 10 | Provinzen kenntlich ist (wie sich die Böotier, die einen feuchten, von den | ||||||
| 11 | Atheniensern unterschieden, die einen trockenen Boden bewohnten), welche | ||||||
| 12 | Verschiedenheit oft freilich nur einem aufmerksamen Auge kenntlich ist, | ||||||
| 13 | von andern aber belacht wird. Was blos zu den Varietäten gehört | ||||||
| 14 | und also an sich selbst (obzwar eben nicht beständig) erblich ist, kann doch | ||||||
| 15 | durch Ehen, die immer in denselben Familien verbleiben, dasjenige mit | ||||||
| 16 | der Zeit hervorbringen, was ich den Familienschlag nenne, wo sich etwas | ||||||
| 17 | Charakteristisches endlich so tief in die Zeugungskraft einwurzelt, daß | ||||||
| 18 | es einer Spielart nahe kommt und sich wie diese perpetuirt. Man will | ||||||
| 19 | dieses an dem alten Adel von Venedig, vornehmlich der Damen desselben | ||||||
| 20 | bemerkt haben. Zum wenigsten sind in der neu entdeckten Insel Otaheite | ||||||
| 21 | die adlichen Frauen insgesammt größern Wuchses als die gemeinen. | ||||||
| 22 | Auf der Möglichkeit, durch sorgfältige Aussonderung der ausartenden Geburten | ||||||
| 23 | von den einschlagenden endlich einen dauerhaften Familienschlag | ||||||
| 24 | zu errichten, beruhte die Meinung des Herrn von Maupertuis: einen | ||||||
| 25 | von Natur edlen Schlag Menschen in irgend einer Provinz zu ziehen, | ||||||
| 26 | worin Verstand, Tüchtigkeit und Rechtschaffenheit erblich wären. Ein Anschlag, | ||||||
| 27 | der meiner Meinung nach an sich selbst zwar thunlich, aber durch | ||||||
| 28 | die weisere Natur ganz wohl verhindert ist, weil eben in der Vermengung | ||||||
| 29 | des Bösen mit dem Guten die großen Triebfedern liegen, welche die | ||||||
| 30 | schlafenden Kräfte der Menschheit in Spiel setzen und sie nöthigen, alle | ||||||
| 31 | ihre Talente zu entwickeln und sich der Vollkommenheit ihrer Bestimmung | ||||||
| 32 | zu nähern. Wenn die Natur ungestört (ohne Verpflanzung oder fremde | ||||||
| 33 | Vermischung) viele Zeugungen hindurch wirken kann, so bringt sie jederzeit | ||||||
| 34 | endlich einen dauerhaften Schlag hervor, der Völkerschaften auf | ||||||
| 35 | immer kenntlich macht und eine Race würde genannt werden, wenn das | ||||||
| 36 | Charakteristische nicht zu unbedeutend schiene und zu schwer zu beschreiben | ||||||
| 37 | wäre, um darauf eine besondere Abtheilung zu gründen. | ||||||
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