| Kant: AA II, Von den verschiedenen Racen ... , Seite 430 | |||||||
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| 01 | welche eben so viel ist, als die Einheit der für sie gemeinschaftlich gültigen | ||||||
| 02 | Zeugungskraft, kann man nur eine einzige natürliche Ursache anführen: | ||||||
| 03 | nämlich, daß sie alle zu einem einzigen Stamme gehören, woraus sie unerachtet | ||||||
| 04 | ihrer Verschiedenheiten entsprungen sind, oder doch wenigstens | ||||||
| 05 | haben entspringen können. Im erstern Falle gehören die Menschen nicht | ||||||
| 06 | bloß zu einer und derselben Gattung, sondern auch zu einer Familie; | ||||||
| 07 | im zweiten sind sie einander ähnlich, aber nicht verwandt, und es müßten | ||||||
| 08 | viel Localschöpfungen angenommen werden; eine Meinung, welche die | ||||||
| 09 | Zahl der Ursachen ohne Noth vervielfältigt. Eine Thiergattung, die zugleich | ||||||
| 10 | einen gemeinschaftlichen Stamm hat, enthält unter sich nicht verschiedene | ||||||
| 11 | Arten (denn diese bedeuten eben die Verschiedenheiten der Abstammung); | ||||||
| 12 | sondern ihre Abweichungen von einander heißen Abartungen, | ||||||
| 13 | wenn sie erblich sind. Die erblichen Merkmale der Abstammung, | ||||||
| 14 | wenn sie mit ihrer Abkunft einstimmig sind, heißen Nachartungen; | ||||||
| 15 | könnte aber die Abartung nicht mehr die ursprüngliche Stammbildung | ||||||
| 16 | herstellen, so würde sie Ausartung heißen. | ||||||
| 17 | Unter den Abartungen, d. i. den erblichen Verschiedenheiten der Thiere, | ||||||
| 18 | die zu einem einzigen Stamme gehören, heißen diejenigen, welche sich sowohl | ||||||
| 19 | bei allen Verpflanzungen (Versetzungen in andre Landstriche) in | ||||||
| 20 | langen Zeugungen unter sich beständig erhalten, als auch in der Vermischung | ||||||
| 21 | mit andern Abartungen desselbigen Stamms jederzeit halbschlächtige | ||||||
| 22 | Junge zeugen, Racen. Die, so bei allen Verpflanzungen das | ||||||
| 23 | Unterscheidende ihrer Abartung zwar beständig erhalten und also nacharten, | ||||||
| 24 | aber in der Vermischung mit andern nicht nothwendig halbschlächtig | ||||||
| 25 | zeugen, heißen Spielarten; die aber, so zwar oft, aber nicht beständig | ||||||
| 26 | nacharten, Varietäten. Umgekehrt heißt die Abartung, welche mit andern | ||||||
| 27 | zwar halbschlächtig erzeugt, aber durch die Verpflanzung nach und nach | ||||||
| 28 | erlischt, ein besonderer Schlag. | ||||||
| 29 | Auf diese Weise sind Neger und Weiße zwar nicht verschiedene Arten | ||||||
| 30 | von Menschen (denn sie gehören vermuthlich zu einem Stamme), aber doch | ||||||
| 31 | zwei verschiedene Racen: weil jede derselben sich in allen Landstrichen | ||||||
| 32 | perpetuirt, und beide mit einander nothwendig halbschlächtige Kinder | ||||||
| 33 | Blendlinge (Mulatten) erzeugen. Dagegen sind Blonde und Brunette | ||||||
| 34 | nicht verschiedene Racen der Weißen, weil ein blonder Mann von | ||||||
| 35 | einer brunetten Frau auch lauter blonde Kinder haben kann, obgleich jede | ||||||
| 36 | dieser Abartungen sich bei allen Verpflanzungen lange Zeugungen hindurch | ||||||
| 37 | erhält. Daher sind sie Spielarten der Weißen. Endlich bringt die | ||||||
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