Kant: AA II, Von dem ersten Grunde des ... , Seite 383 |
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| 01 | eine Rechte oder eine Linke, und um die eine hervorzubringen, war | ||||||
| 02 | eine andere Handlung der schaffenden Ursache nöthig, als die, wodurch | ||||||
| 03 | ihr Gegenstück gemacht werden konnte. | ||||||
| 04 | Nimmt man nun den Begriff vieler neueren Philosophen, vornehmlich | ||||||
| 05 | der Deutschen an, daß der Raum nur in dem äußeren Verhältnisse der | ||||||
| 06 | neben einander befindlichen Theile der Materie bestehe, so würde aller | ||||||
| 07 | wirkliche Raum in dem angeführten Falle nur derjenige sein, den diese | ||||||
| 08 | Hand einnimmt. Weil aber gar kein Unterschied in dem Verhältnisse | ||||||
| 09 | der Theile derselben unter sich statt findet, sie mag eine Rechte oder Linke | ||||||
| 10 | sein, so würde diese Hand in Ansehung einer solchen Eigenschaft gänzlich | ||||||
| 11 | unbestimmt sein, d. i. sie würde auf jede Seite des menschlichen Körpers | ||||||
| 12 | passen, welches unmöglich ist. | ||||||
| 13 | Es ist hieraus klar: daß nicht die Bestimmungen des Raumes Folgen | ||||||
| 14 | von den Lagen der Theile der Materie gegen einander, sondern diese | ||||||
| 15 | Folgen von jenen sind, und daß also in der Beschaffenheit der Körper | ||||||
| 16 | Unterschiede angetroffen werden können und zwar wahre Unterschiede, die | ||||||
| 17 | sich lediglich auf den absoluten und ursprünglichen Raum beziehen, | ||||||
| 18 | weil nur durch ihn das Verhältniß körperlicher Dinge möglich ist, und | ||||||
| 19 | daß, weil der absolute Raum kein Gegenstand einer äußeren Empfindung, | ||||||
| 20 | sondern ein Grundbegriff ist, der alle dieselbe zuerst möglich macht, wir | ||||||
| 21 | dasjenige, was in der Gestalt eines Körpers lediglich die Beziehung auf | ||||||
| 22 | den reinen Raum angeht, nur durch die Gegenhaltung mit andern Körpern | ||||||
| 23 | vernehmen können. | ||||||
| 24 | Ein nachsinnender Leser wird daher den Begriff des Raumes, so wie | ||||||
| 25 | ihn der Meßkünstler denkt und auch scharfsinnige Philosophen ihn in den | ||||||
| 26 | Lehrbegriff der Naturwissenschaft aufgenommen haben, nicht für ein bloßes | ||||||
| 27 | Gedankending ansehen, obgleich es nicht an Schwierigkeiten fehlt, die | ||||||
| 28 | diesen Begriff umgeben, wenn man seine Realität, welche dem innern | ||||||
| 29 | Sinne anschauend gnug ist, durch Vernunftideen fassen will. Aber diese | ||||||
| 30 | Beschwerlichkeit zeigt sich allerwärts, wenn man über die ersten data unserer | ||||||
| 31 | Erkenntniß noch philosophiren will, aber sie ist niemals so entscheidend | ||||||
| 32 | als diejenige, welche sich hervorthut, wenn die Folgen eines angenommenen | ||||||
| 33 | Begriffs der augenscheinlichsten Erfahrung widersprechen. | ||||||
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