Kant: AA II, Von dem ersten Grunde des ... , Seite 382 |
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01 | Ich nenne einen Körper, der einem andern völlig gleich und ähnlich | ||||||
02 | ist, ob er gleich nicht in eben denselben Grenzen kann beschlossen werden, | ||||||
03 | sein incongruentes Gegenstück. Um nun dessen Möglichkeit zu zeigen: | ||||||
04 | so nehme man einen Körper an, der nicht aus zwei Hälften besteht, | ||||||
05 | die symmetrisch gegen eine einzige Durchschnittsfläche geordnet sind, sondern | ||||||
06 | etwa eine Menschenhand. Man fälle aus allen Punkten ihrer | ||||||
07 | Oberfläche auf eine ihr gegenüber gestellte Tafel Perpendikellinien und | ||||||
08 | verlängere sie eben so weit hinter derselben, als diese Punkte vor ihr liegen, | ||||||
09 | so machen die Endpunkte der so verlängerten Linien, wenn sie verbunden | ||||||
10 | werden, die Fläche einer körperlichen Gestalt aus, die das incongruente | ||||||
11 | Gegenstück der vorigen ist, d. i. wenn die gegebene Hand eine | ||||||
12 | rechte ist, so ist deren Gegenstück eine linke. Die Abbildung eines Objects | ||||||
13 | im Spiegel beruht auf eben denselben Gründen. Denn es erscheint jederzeit | ||||||
14 | eben so weit hinter demselben, als es vor seiner Fläche steht, und daher | ||||||
15 | ist das Bild einer rechten Hand in demselben jederzeit eine linke. Besteht | ||||||
16 | das Object selber aus zwei incongruenten Gegenstücken, wie der | ||||||
17 | menschliche Körper, wenn man ihn vermittelst eines Verticaldurchschnitts | ||||||
18 | von vorne nach hinten theilt, so ist sein Bild ihm congruent, welches man | ||||||
19 | leicht erkennt, wenn man es in Gedanken eine halbe Drehung machen | ||||||
20 | läßt; denn das Gegenstück vom Gegenstücke eines Objects ist diesem nothwendig | ||||||
21 | congruent. | ||||||
22 | So viel mag gnug sein, um die Möglichkeit völlig ähnlicher und gleicher | ||||||
23 | und doch incongruenter Räume zu verstehen. Wir gehen jetzt zur | ||||||
24 | philosophischen Anwendung dieser Begriffe. Es ist schon aus dem gemeinen | ||||||
25 | Beispiele beider Hände offenbar: daß die Figur eines Körpers der | ||||||
26 | Figur eines andern völlig ähnlich und die Größe der Ausdehnung ganz | ||||||
27 | gleich sein könne, so daß dennoch ein innerer Unterschied übrig bleibt, | ||||||
28 | nämlich der: daß die Oberfläche, die den einen beschließt, den andern unmöglich | ||||||
29 | einschließen könne. Weil die Oberfläche den körperlichen Raum | ||||||
30 | des einen begrenzt, die dem andern nicht zur Grenze dienen kann, man | ||||||
31 | mag ihn drehen und wenden, wie man will, so muß diese Verschiedenheit | ||||||
32 | eine solche sein, die auf einem inneren Grunde beruht. Dieser innere | ||||||
33 | Grund der Verschiedenheit aber kann nicht auf die unterschiedene Art | ||||||
34 | der Verbindung der Theile des Körpers unter einander ankommen; denn | ||||||
35 | wie man aus dem angeführten Beispiele sieht, so kann in Ansehung dessen | ||||||
36 | alles völlig einerlei sein. Gleichwohl wenn man sich vorstellt: das erste | ||||||
37 | Schöpfungsstück solle eine Menschenhand sein, so ist es nothwendig entweder | ||||||
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