Kant: AA II, Von dem ersten Grunde des ... , Seite 379 |
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| 01 | erzeugen. Die Fläche, worauf die Länge unseres Körpers senkrecht steht, | ||||||
| 02 | heißt in Ansehung unser horizontal; und diese Horizontalfläche giebt Anla | ||||||
| 03 | zu dem Unterschiede der Gegenden, die wir durch Oben und Unten bezeichnen. | ||||||
| 04 | Auf dieser Fläche können zwei andere senkrecht stehen und sich | ||||||
| 05 | zugleich rechtwinklicht durchkreuzen, so daß die Länge des menschlichen | ||||||
| 06 | Körpers in der Linie des Durchschnitts gedacht wird. Die eine dieser | ||||||
| 07 | Verticalflächen theilt den Körper in zwei äußerlich ähnliche Hälften und | ||||||
| 08 | giebt den Grund des Unterschiedes der rechten und linken Seite ab, die | ||||||
| 09 | andere, welche auf ihr perpendicular steht, macht, daß wir den Begriff der | ||||||
| 10 | vorderen und hinteren Seite haben können. Bei einem beschriebenen | ||||||
| 11 | Blatte z. E. unterscheiden wir zuerst die obere von der unteren Seite der | ||||||
| 12 | Schrift, wir bemerken den Unterschied der vorderen und hintern Seite, | ||||||
| 13 | und dann sehen wir auf die Lage der Schriftzüge von der Linken gegen die | ||||||
| 14 | Rechte oder umgekehrt. Hier ist immer eben dieselbe Lage der Theile, die | ||||||
| 15 | auf der Fläche geordnet sind, gegen einander und in allen Stücken einerlei | ||||||
| 16 | Figur, man mag das Blatt drehen, wie man will, aber der Unterschied | ||||||
| 17 | der Gegenden kommt bei dieser Vorstellung so sehr in Anschlag und ist | ||||||
| 18 | mit dem Eindrucke, den der sichtbare Gegenstand macht, so genau verbunden: | ||||||
| 19 | daß eben dieselbe Schrift, auf solche Weise gesehen, daß alles von | ||||||
| 20 | der Rechten gegen die Linke gekehrt wird, was vorher die entgegengesetzte | ||||||
| 21 | Gegend hielt, unkenntlich wird. | ||||||
| 22 | Sogar sind unsere Urtheile von den Weltgegenden dem Begriffe untergeordnet, | ||||||
| 23 | den wir von Gegenden überhaupt haben, insofern sie in Verhältniß | ||||||
| 24 | auf die Seiten unseres Körpers bestimmt sind. Was wir sonst | ||||||
| 25 | am Himmel und auf der Erde unabhängig von diesem Grundbegriffe an | ||||||
| 26 | Verhältnissen erkennen, das sind nur Lagen der Gegenstände unter einander. | ||||||
| 27 | Wenn ich auch noch so gut die Ordnung der Abtheilungen des Horizonts | ||||||
| 28 | weiß, so kann ich doch die Gegenden darnach nur bestimmen, indem | ||||||
| 29 | ich mir bewußt bin, nach welcher Hand diese Ordnung fortlaufe, und die | ||||||
| 30 | allergenaueste Himmelskarte, wenn außer der Lage der Sterne unter einander | ||||||
| 31 | nicht noch durch die Stellung des Abrisses gegen meine Hände die | ||||||
| 32 | Gegend determiniert würde, so genau wie ich sie auch in Gedanken hätte, | ||||||
| 33 | würde mich doch nicht in den Stand setzen, aus einer bekannten Gegend, | ||||||
| 34 | z. E. Norden, zu wissen, auf welcher Seite des Horizonts ich den Sonnenaufgang | ||||||
| 35 | zu suchen hätte. Eben so ist es mit der geographischen, ja mit unserer | ||||||
| 36 | gemeinsten Kenntniß der Lage der Örter bewandt, die uns zu nichts | ||||||
| 37 | hilft, wenn wir die so geordnete Dinge und das ganze System der wechselseitigen | ||||||
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