Kant: AA II, Träume eines Geistersehers, ... , Seite 366 |
|||||||
Zeile:
|
Text (Kant):
|
|
|
||||
| 01 | Vorstellung ausgedehnt hat, wenn etwa in Schulen, um dem Gedächtni | ||||||
| 02 | zu Hülfe zu kommen, ein ganzer Welttheil unter dem Bilde einer | ||||||
| 03 | sitzenden Jungfrau u. d. g. den Lehrlingen vorgemalt wird. In diesem | ||||||
| 04 | unermeßlichen Menschen ist eine durchgängige innigste Gemeinschaft eines | ||||||
| 05 | Geistes mit allen und aller mit einem, und wie auch immer die Lage der | ||||||
| 06 | lebenden Wesen gegeneinander in dieser Welt, oder deren Veränderung | ||||||
| 07 | beschaffen sein mag, so haben sie doch eine ganz andere Stelle im größten | ||||||
| 08 | Menschen, welche sie niemals verändern und welche nur dem Scheine nach | ||||||
| 09 | ein Ort in einem unermeßlichen Raume, in der That aber eine bestimmte | ||||||
| 10 | Art ihrer Verhältnisse und Einflüsse ist. | ||||||
| 11 | Ich bin es müde die wilden Hirngespinste des ärgsten Schwärmers | ||||||
| 12 | unter allen zu copiren, oder solche bis zu seinen Beschreibungen vom Zustande | ||||||
| 13 | nach dem Tode fortzusetzen. Ich habe auch noch andere Bedenklichkeiten. | ||||||
| 14 | Denn obgleich ein Natursammler unter den präparirten Stücken | ||||||
| 15 | thierischer Zeugungen nicht nur solche, die in natürlicher Form gebildet | ||||||
| 16 | sind, sondern auch Mißgeburten in seinem Schranke aufstellt, so muß er | ||||||
| 17 | doch behutsam sein, sie nicht jedermann und nicht gar zu deutlich sehen zu | ||||||
| 18 | lassen. Denn es könnten unter den Vorwitzigen leichtlich schwangere Personen | ||||||
| 19 | sein, bei denen es einen schlimmen Eindruck machen dürfte. Und | ||||||
| 20 | da unter meinen Lesern einige in Ansehung der idealen Empfängniß eben | ||||||
| 21 | sowohl in andern Umständen sein mögen, so würde mir es leid thun, wenn | ||||||
| 22 | sie sich hier etwa woran sollten versehen haben. Indessen weil ich sie doch | ||||||
| 23 | gleich anfangs gewarnt habe, so stehe ich für nichts und hoffe, man werde | ||||||
| 24 | mir die Mondkälber nicht aufbürden, die bei dieser Veranlassung von | ||||||
| 25 | ihrer fruchtbaren Einbildung möchten geboren werden. | ||||||
| 26 | Übrigens habe ich den Träumereien unseres Verfassers keine eigene | ||||||
| 27 | unterschoben, sondern solche durch einen getreuen Auszug dem bequemen | ||||||
| 28 | und wirthschaftlichen Leser (der einem kleinen Vorwitze nicht so leicht | ||||||
| 29 | 7 Pfund Sterlinge aufopfern möchte) dargeboten. Zwar sind die unmittelbare | ||||||
| 30 | Anschauungen mehrentheils von mir weggelassen worden, weil | ||||||
| 31 | dergleichen wilde Hirngespinste nur den Nachtschlaf des Lesers stören | ||||||
| 32 | würden; auch ist der verworrene Sinn seiner Eröffnungen hin und wieder | ||||||
| 33 | in eine etwas gangbare Sprache eingekleidet worden; allein die Hauptzüge | ||||||
| 34 | des Abrisses haben dadurch in ihrer Richtigkeit nicht gelitten. Gleichwohl | ||||||
| 35 | ist es nur umsonst es verhehlen zu wollen, weil es Jedermann doch | ||||||
| 36 | so in die Augen fällt, daß alle diese Arbeit am Ende auf nichts herauslaufe. | ||||||
| 37 | Denn da die vorgegebene Privaterscheinungen des Buchs sich selbst | ||||||
| [ Seite 365 ] [ Seite 367 ] [ Inhaltsverzeichnis ] |
|||||||