Kant: AA II, Träume eines Geistersehers, ... , Seite 364 |
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| 01 | durch die Geisterwelt, wiewohl ein jeder Körper nicht durch einen Geist | ||||||
| 02 | allein, sondern durch alle zusammengenommen. Daher hat die Erkenntniß | ||||||
| 03 | der materiellen Dinge zweierlei Bedeutung, einen äußerlichen Sinn | ||||||
| 04 | in Verhältniß der Materie aufeinander und einen innern, in so fern sie | ||||||
| 05 | als Wirkungen die Kräfte der Geisterwelt bezeichnen, die ihre Ursachen | ||||||
| 06 | sind. So hat der Körper des Menschen ein Verhältniß der Theile untereinander | ||||||
| 07 | nach materiellen Gesetzen; aber in so fern er durch den Geist, der | ||||||
| 08 | in ihm lebt, erhalten wird, haben seine verschiedene Gliedmaßen und ihre | ||||||
| 09 | Funktionen einen bezeichnenden Werth für diejenige Seelenkräfte, durch | ||||||
| 10 | deren Wirkung sie ihre Gestalt, Thätigkeit und Beharrlichkeit haben. | ||||||
| 11 | Dieser innere Sinn ist den Menschen unbekannt, und den hat Schwedenberg, | ||||||
| 12 | dessen Innerstes aufgethan ist, den Menschen bekannt machen wollen. | ||||||
| 13 | Mit allen andern Dingen der sichtbaren Welt ist es eben so bewandt, sie | ||||||
| 14 | haben, wie gesagt, eine Bedeutung als Sachen, welches wenig ist, und | ||||||
| 15 | eine andere als Zeichen, welches mehr ist. Dieses ist auch der Ursprung | ||||||
| 16 | der neuen Auslegungen, die er von der Schrift hat machen wollen. Denn | ||||||
| 17 | der innere Sinn, nämlich die symbolische Beziehung aller darin erzählten | ||||||
| 18 | Dinge auf die Geisterwelt, ist, wie er schwärmt, der Kern ihres Werths, | ||||||
| 19 | das übrige ist nur die Schale. Was aber wiederum in dieser symbolischen | ||||||
| 20 | Verknüpfung körperlicher Dinge als Bilder mit dem innern geistigen Zustande | ||||||
| 21 | wichtig ist, besteht darin: Alle Geister stellen sich einander jederzeit | ||||||
| 22 | unter dem Anschein ausgedehnter Gestalten vor, und die Einflüsse | ||||||
| 23 | aller dieser geistigen Wesen untereinander erregen ihnen zugleich die | ||||||
| 24 | Apparenz von noch andern ausgedehnten Wesen und gleichsam von einer | ||||||
| 25 | materialen Welt, deren Bilder doch nur Symbolen ihres inneren Zustandes | ||||||
| 26 | sind, aber gleichwohl eine so klare und dauerhafte Täuschung des Sinnes | ||||||
| 27 | verursachen, daß solche der wirklichen Empfindung solcher Gegenstände | ||||||
| 28 | gleich ist. (Ein künftiger Ausleger wird daraus schließen: das Schwedenberg | ||||||
| 29 | ein Idealist sei, weil er der Materie dieser Welt auch die eigne | ||||||
| 30 | Subsistenz abspricht und sie daher vielleicht nur für eine zusammenhängende | ||||||
| 31 | Erscheinung halten mag, welche aus der Verknüpfung der Geisterwelt | ||||||
| 32 | entspringt.) Er redet also von Gärten, weitläuftigen Gegenden, | ||||||
| 33 | Wohnplätzen, Gallerien und Arcaden der Geister, die er mit eigenen Augen | ||||||
| 34 | in dem klärsten Lichte sähe, und versichert: daß, da er mit allen seinen | ||||||
| 35 | Freunden nach ihrem Tode vielfältig gesprochen, er an denen, die nur | ||||||
| 36 | kürzlich gestorben, fast jederzeit gefunden hätte, daß sie sich kaum hätten | ||||||
| 37 | überreden können gestorben zu sein, weil sie eine ähnliche Welt um sich | ||||||
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