| Kant: AA II, Träume eines Geistersehers, ... , Seite 363 | |||||||
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| 01 | und Willensregungen aus ihnen selbst entspringen, ob sie gleich in der | ||||||
| 02 | That oftmals aus der unsichtbaren Welt in sie übergehen. Indessen hat | ||||||
| 03 | eine jede menschliche Seele schon in diesem Leben ihre Stelle in der Geisterwelt | ||||||
| 04 | und gehört zu einer gewissen Societät, die jederzeit ihrem innern | ||||||
| 05 | Zustande des Wahren und Guten, d. i. des Verstandes und Willens, gemäß | ||||||
| 06 | ist. Es haben aber die Stellen der Geister untereinander nichts mit | ||||||
| 07 | dem Raume der körperlichen Welt gemein; daher die Seele eines Menschen | ||||||
| 08 | in Indien mit der eines andern in Europa, was die geistige Lagen betrifft, | ||||||
| 09 | oft die nächste Nachbaren sind, und dagegen die, so dem Körper nach in | ||||||
| 10 | einem Hause wohnen, nach jenen Verhältnissen weit gnug von einander | ||||||
| 11 | entfernt sein können. Stirbt der Mensch, so verändert die Seele nicht | ||||||
| 12 | ihre Stelle, sondern empfindet sich nur in derselben, darin sie in Ansehung | ||||||
| 13 | anderer Geister schon in diesem Leben war. Übrigens, obgleich das Verhältniß | ||||||
| 14 | der Geister untereinander kein wahrer Raum ist, so hat dasselbe | ||||||
| 15 | doch bei ihnen die Apparenz desselben, und ihre Verknüpfungen werden | ||||||
| 16 | unter der begleitenden Bedingung der Naheiten, ihre Verschiedenheiten | ||||||
| 17 | aber als Weiten vorgestellt, so wie die Geister selber wirklich nicht ausgedehnt | ||||||
| 18 | sind, einander aber doch die Apparenz einer menschlichen Figur | ||||||
| 19 | geben. In diesem eingebildeten Raume ist eine durchgängige Gemeinschaft | ||||||
| 20 | der geistigen Naturen. Schwedenberg spricht mit abgeschiedenen | ||||||
| 21 | Seelen, wenn es ihm beliebt, und liest in ihrem Gedächtniß (Vorstellungskraft) | ||||||
| 22 | denjenigen Zustand, darin sie sich selbst beschauen, und sieht diesen | ||||||
| 23 | eben so klar als mit leiblichen Augen. Auch ist die ungeheure Entfernung | ||||||
| 24 | der vernünftigen Bewohner der Welt in Absicht auf das geistige Weltganze | ||||||
| 25 | für nichts zu halten, und mit einen Bewohner des Saturns zu reden, ist | ||||||
| 26 | ihm eben so leicht, als eine abgeschiedene Menschenseele zu sprechen. Alles | ||||||
| 27 | kommt auf das Verhältniß des innern Zustandes und auf die Verknüpfung | ||||||
| 28 | an, die sie untereinander nach ihrer Übereinstimmung im Wahren | ||||||
| 29 | und im Guten haben; die entferntere Geister aber können leichtlich durch | ||||||
| 30 | Vermittelung anderer in Gemeinschaft kommen. Daher braucht der | ||||||
| 31 | Mensch auch nicht in den übrigen Weltkörpern wirklich gewohnt zu haben, | ||||||
| 32 | um dieselbe dereinst mit allen ihren Wundern zu kennen. Seine Seele | ||||||
| 33 | lieset in dem Gedächnisse anderer abgeschiedenen Weltbürger ihre Vorstellungen, | ||||||
| 34 | die diese von ihrem Leben und Wohnplatze haben, und sieht | ||||||
| 35 | darin die Gegenstände so gut wie durch ein unmittelbares Anschauen. | ||||||
| 36 | Ein Hauptbegriff in Schwedenbergs Phantasterei ist dieser: Die körperliche | ||||||
| 37 | Wesen haben keine eigene Subsistenz, sondern bestehen lediglich | ||||||
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