| Kant: AA II, Träume eines Geistersehers, ... , Seite 333 | |||||||
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| 01 | Es wird nachgerade beschwerlich, immer die behutsame Sprache der | ||||||
| 02 | Vernunft zu führen. Warum sollte es mir nicht auch erlaubt sein im | ||||||
| 03 | akademischen Tone zu reden, der entscheidender ist und sowohl den Verfasser | ||||||
| 04 | als den Leser des Nachdenkens überhebt, welches über lang oder kurz | ||||||
| 05 | beide nur zu einer verdrießlichen Unentschlossenheit führen muß. Es ist | ||||||
| 06 | demnach so gut als demonstrirt, oder es könnte leichtlich bewiesen werden, | ||||||
| 07 | wenn man weitläuftig sein wollte, oder noch besser, es wird künftig, ich | ||||||
| 08 | weiß nicht wo oder wenn, noch bewiesen werden: daß die menschliche Seele | ||||||
| 09 | auch in diesem Leben in einer unauflöslich verknüpften Gemeinschaft mit | ||||||
| 10 | allen immateriellen Naturen der Geisterwelt stehe, daß sie wechselweise | ||||||
| 11 | in diese wirke und von ihnen Eindrücke empfange, deren sie sich aber als | ||||||
| 12 | Mensch nicht bewußt ist, so lange alles wohl steht. Andererseits ist es | ||||||
| 13 | auch wahrscheinlich, daß die geistige Naturen unmittelbar keine sinnliche | ||||||
| 14 | Empfindung von der Körperwelt mit Bewußtsein haben können, weil sie | ||||||
| 15 | mit keinem Theil der Materie zu einer Person verbunden sind, um sich | ||||||
| 16 | vermittelst desselben ihres Orts in dem materiellen Weltganzen und durch | ||||||
| 17 | künstliche Organen des Verhältnisses der ausgedehnten Wesen gegen sich | ||||||
| 18 | und gegen einander bewußt zu werden, daß sie aber wohl in die Seelen | ||||||
| 19 | der Menschen als Wesen von einerlei Natur einfließen können und auch | ||||||
| 20 | wirklich jederzeit mit ihnen in wechselseitiger Gemeinschaft stehen, doch so, | ||||||
| 21 | daß in der Mittheilung der Vorstellungen diejenige, welche die Seele als | ||||||
| 22 | ein von der Körperwelt abhängendes Wesen in sich enthält, nicht in andere | ||||||
| 23 | geistige Wesen und die Begriffe der letzteren, als anschauende Vorstellungen | ||||||
| 24 | von immateriellen Dingen, nicht in das klare Bewußtsein des | ||||||
| 25 | Menschen übergehen können, wenigstens nicht in ihrer eigentlichen Beschaffenheit, | ||||||
| 26 | weil die Materialien zu beiderlei Ideen von verschiedener | ||||||
| 27 | Art sind. | ||||||
| 28 | Es würde schön sein, wenn eine dergleichen systematische Verfassung | ||||||
| 29 | der Geisterwelt, als wir sie vorstellen, nicht lediglich aus dem Begriffe | ||||||
| 30 | von der geistigen Natur überhaupt, der gar zu sehr hypothetisch ist, sondern | ||||||
| 31 | aus irgend einer wirklichen und allgemein zugestandenen Beobachtung | ||||||
| 32 | könnte geschlossen, oder auch nur wahrscheinlich vermuthet werden. Daher | ||||||
| 33 | wage ich es auf die Nachsicht des Lesers, einen Versuch von dieser Art hier | ||||||
| 34 | einzuschalten, der zwar etwas außer meinem Wege liegt und auch von der | ||||||
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